Verena Frei (Name geändert) aus Zürich hat mit psychischen Problemen zu kämpfen. Darum ging die saldo-Leserin in den letzten Jahren mehrmals in eine Gesprächstherapie. Sie fasste Vertrauen zu ihrer Psychologin, sie fühlte sich wohl. Doch ob sie weiterhin zur Therapeutin ihrer Wahl gehen kann, ist offen.
Grund dafür ist ihre Krankenkasse Concordia: Dort hat Frei die Zusatzversicherung Diversa abgeschlossen. Diese übernahm von der Psychotherapie bisher 2000 Franken innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren. Im Frühling schrieb ihr die Concordia, die Zusatzversicherung zahle ab dem 1. Juli dafür nichts mehr. Die Kasse verweist auf eine Klausel im Kleingedruckten. Dort steht: Die Zusatzversicherung zahlt nur, solange «keine Leistungspflicht» in der Grundversicherung besteht.
Psychologen ohne Zulassung bei Grundversicherung nicht gedeckt
Seit 1. Juli bezahlt die Grundversicherung neu «nicht ärztliche Psychotherapien» – also solche von Psychologen, die selbständig tätig sind (siehe Box). Für Verena Frei bedeutet dies: Ihre Therapiekosten übernimmt künftig die Grundversicherung. Das heisst für sie aber auch, dass sie wegen ihrer hohen Franchise viel mehr selbst bezahlen muss.
Kommt hinzu, dass sie nicht bei ihrer Therapeutin bleiben kann, weil diese beim Kanton keine Zulassung für die Grundversicherung beantragte. Das ist für Therapeuten freiwillig. Carola Smolenski, Vorstandsmitglied der Föderation Schweizer Psychologinnen, kennt selber Patienten, die gezwungen sind, die Therapeutin zu wechseln: «Im schlimmsten Fall führte dies zum Abbruch der Therapie.»
Auch andere Kassen schränken ihr Angebot für Zusatzversicherte ein. Das ergab eine Umfrage von saldo bei den elf grössten Versicherungen (siehe Tabelle im PDF). Wie die Concordia streicht auch die Visana die Psychotherapie aus dem Leistungskatalog – und zwar bei der Zusatzversicherung Ambulant II.
Einschränkungen hinnehmen müssen Versicherte auch bei Helsana Completa und Helsana Top, Swica Completa und Swica Optima sowie Sympany Plus und Sympany Premium. Diese Zusatzversicherungen decken ab 2023 nur noch Therapien bei Psychologen, die gegenüber dem Kanton erklären, dass sie auf Leistungen aus der Grundversicherung verzichten. Eine Anfrage von saldo in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt und Landschaft, Bern, Luzern, St. Gallen, Thurgau und Zürich zeigt: Dies trifft nur auf einen einzigen Psychotherapeuten im Kanton Thurgau zu. Die Einschränkung bei Helsana, Swica und Sympany kommt zurzeit also einer Streichung der Psychotherapie aus der Zusatzversicherung gleich.
Kundenfreundlicher sind Atupri, Groupe Mutuel, KPT, Sanitas, Visana beim Modell Ambulant III und Galenos bei Maxica: Sie behalten ihre Leistungen in den Zusatzversicherungen bei. Sie bezahlen weiterhin für Therapiestunden bei Psychologen mit anerkannter Weiterbildung, die über keine Zulassung für die Grundversicherung verfügen.
Trotz sinkenden Leistungen: Die Prämien bleiben gleich
Die CSS und ihre Töchter Intras und Sanagate lassen Kunden im Dunkeln. Sie wollen «zu einem späteren Zeitpunkt kommunizieren», wie sie Psychotherapie ab 2023 handhaben.
Auf die Frage, ob mit den Leistungskürzungen auch die Prämien sinken, winken die Versicherer ab. Die Kostenentwicklung liesse sich noch nicht abschätzen, denn Psychotherapie sei im Paket mit anderen Leistungen versichert. Das heisst für Versicherte: gleicher Preis für weniger Leistung.
Das bezahlt die Grundversicherung
Patienten bekamen bislang nur etwas aus der Grundversicherung für Therapien, wenn der Psychologe bei einem Psychiater angestellt war. Seit dem 1. Juli übernimmt die Grundversicherung die Kosten einer Psychotherapie bei allen Psychologen mit einer anerkannten Weiterbildung, abzüglich Franchise und Selbstbehalt. Voraussetzung: Ein Arzt muss dem Patienten die Therapie verschreiben. Die Krankenkasse bezahlt zuerst 15 Therapiesitzungen, bei einer erneuten Verschreibung weitere 15 Sitzungen. Danach ist eine Fortführung nur noch möglich nach einer Beurteilung durch einen Psychiater. Für Kriseninterventionen bei schweren Erkrankungen können alle Ärzte einmalig maximal 10 Sitzungen auf Kosten der Grundversicherung verschreiben.