Psoriasis ist mehr als meine Haut» – dieser Satz prangt zurzeit auf gelben Plakaten in den Bahnhöfen von Basel, Bern, Lausanne und Zürich. Psoriasis ist der Fachausdruck für Schuppenflechte. Sie bewirkt gerötete, silbrige Schuppen auf der Haut. Das Plakat zeigt eine junge Frau, an deren geröteter Hand die Fingergelenke sichtbar sind. Dazu heisst es, Psoriasis könne bei bis zu vier von zehn Patienten auch die Gelenke schädigen: «Frage Deinen Hautarzt, bei welchen Gelenksymptomen Du handeln musst.»
Unten auf dem Plakat steht klein gedruckt, wer dafür verantwortlich ist. Es handelt sich um «eine Initiative von Novartis Schweiz, dem Kompetenznetz niedergelassener Dermatologen und der Schweizerischen Psoriasis- und Vitiligo-Gesellschaft».
Deren Präsident sagt, Novartis habe die Aktion lanciert und finanziert. Der Pharmakonzern bestätigt das, will sich aber nicht zu den Kosten der Kampagne äussern. Ein Sprecher sagt nur, es gebe «grossen Aufklärungsbedarf» bei Patienten und Fachpersonen, dass «manche Gelenkbeschwerden in Zusammenhang mit einer Psoriasis-Arthritis stehen können». Verzögere sich die Diagnose um sechs Monate oder länger, könne das zu Gelenkschäden führen.
Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber des Fachmagazins «Pharmakritik», sieht das anders. Die allermeisten Leute mit Psoriasis seien bereits in ärztlicher Behandlung. Sie bräuchten keine Aufforderung via Werbung, um zum Arzt zu gehen. Ins gleiche Horn stösst Erika Ziltener vom Dachverband der Patientenstellen: «Das ist indirekte Medikamentenwerbung.» Damit könne Novartis Menschen Angst vor den Folgen einer Krankheit machen, die in vielen Fällen harmlos ist. Ein Effekt der Werbung sei, dass Patienten mit leichten Symptomen Fachärzte aufsuchten.
Auch Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser vom deutschen Fachmagazin «Arznei-Telegramm» wirft Novartis vor, mit der Kampagne nicht «sinnvoll über Nutzen und Schaden von Behandlungsmethoden zu informieren, sondern die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel anzukurbeln». Novartis beharrt darauf, dass es sich um eine Aufklärungskampagne handle, die weder direkt noch indirekt Bezug auf Medikamente nehme.
Novartis hat ein eigenes Psoriasis-Medikament
Der Pharmariese engagiert sich nicht selbstlos. Novartis verkauft sein Psoriasis-Medikament Cosentyx. Die Behandlung kostet rund 24 000 Franken pro Jahr. Es gehört zu den neueren Psoriasismitteln, die Entzündungsfaktoren im Körper hemmen. Zu den Präparaten zählen auch Stelara von Janssen-Cilag oder Taltz vom US-Konzern Eli Lilly. Sie sind laut Becker-Brüser zwar «wirksamer als konventionelle Psoriasis-Medikamente».
Jede Therapie kostet aber 20 000 bis 25 000 Franken pro Jahr. Hinzu kommt: Die neuen Mittel können schwere Nebenwirkungen wie Infektionen der Atemwege auslösen. Bewährte Mittel wie Methotrexat oder Skilarence gelten als sicher, kosten aber nur einen Zehntel («Gesundheitstipp» 11/2019). Gysling betont: Die neuen Medikamente sind daher für die Behandlung von Schuppenflechte oder Psoriasis-Arthritis nur «zweite oder dritte Wahl». Ärzte dürfen sie nur verschreiben, wenn Patienten ungenügend auf die Basismedikamente ansprechen.
Doch viele Ärzte scheinen sich nicht daran zu halten. Im vergangenen Jahr erzielte Novartis mit Cosentyx in der Schweiz einen Umsatz von rund 38 Millionen Franken – fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Janssen-Cilag brachte es mit Stelara auf 32 Millionen Franken Umsatz – 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Und Eli Lilly mit dem Präparat Taltz auf 9 Millionen – ein Plus von 123 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahlen stammen vom Tarifpool der Marktforschungsfirma Sasis AG und dem Krankenkassenverband Curafutura.
Eine Patientengruppe am Tropf der Industrie
Die Novartis-Kampagne zur Schuppenflechte läuft auch auf der Website Psori.ch der Schweizerischen Psoriasis- und Vitiligo-Gesellschaft. Das ist kein Zufall. Der Verein bekam im letzten Jahr von Novartis eine Spende von 9250 Franken, um Psori.ch aufzubauen. Die Patientengruppe nahm in dem Jahr nach eigenen Angaben 240 000 Franken an Firmenspenden an. Namen der Sponsoren will Präsident Laurent Häusermann nicht nennen. saldo-Recherchen zeigen: Der US-Konzern Abbvie finanzierte den Verein im Jahr 2018 mit 21 753 Franken, Janssen- Cilag 2019 mit 5800 Franken, Lilly Schweiz mit 26 756 Franken und Novartis mit rund 26 000 Franken. Das Budget des Vereins betrug 2018 rund 288 000 Franken. Häusermann sagt, die Unabhängigkeit des Vereins sei gewährleistet. Man finanziere etwa die Beratung von Betroffenen aus eigenen Mitteln.