Private Gasbezüger subventionieren Industrie
Wer mit Erdgas kocht oder heizt, muss das Gas beim lokalen Gaswerk kaufen. Anders grosse Industriebetriebe. Sie können frei wählen – und profitieren von tiefen Preisen.
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saldo 11/2012
03.06.2012
Letzte Aktualisierung:
04.06.2012
Stefan Schuppli
Die Thurgauer Gemeinden Tägerwilen, Ermatingen, Steckborn und Stein am Rhein SH beziehen ihr Erdgas von den Stadtwerken Konstanz (D). Die Kunden in der Schweiz bezahlen über 20 Prozent mehr als ihre deutschen Nachbarn – für dasselbe Gas. Auf der Schweizer Seite kostet die jährliche Gasmenge von 22 000 Kilowattstunden zum Heizen für ein durchschnittliches Einfamilienhaus 2311 Franken. In Deutschland sind es umgerechnet 1881 Franken.
Die Spreche...
Die Thurgauer Gemeinden Tägerwilen, Ermatingen, Steckborn und Stein am Rhein SH beziehen ihr Erdgas von den Stadtwerken Konstanz (D). Die Kunden in der Schweiz bezahlen über 20 Prozent mehr als ihre deutschen Nachbarn – für dasselbe Gas. Auf der Schweizer Seite kostet die jährliche Gasmenge von 22 000 Kilowattstunden zum Heizen für ein durchschnittliches Einfamilienhaus 2311 Franken. In Deutschland sind es umgerechnet 1881 Franken.
Die Sprecherin der Konstanzer Stadtwerke, Silke Rockenstein, begründet die höheren Gaspreise in der Schweiz mit der geringeren Anschlussdichte und der viel kleineren Menge Gasverkäufe pro Leitungskilometer in der Schweiz.
In Deutschland können Gaskonsumenten im Gegensatz zur Schweiz ihre Anbieter frei wählen. Deshalb kommen viele deutsche Kunden sogar noch günstiger zu ihrem Gas. Der Kieler Gasversorger Gas In ver-langt zum Beispiel 1524 Franken für 22 000 Kilowattstunden. Differenz zum Schweizer Preis: 787 Franken oder mehr als ein Drittel.
Auch die Technischen Betriebe Kreuzlingen (TBK) beziehen das Gas von Konstanz. Die Kreuzlinger zahlen nur 1800 Franken für die 22 000 kWh. Die TBK würden dabei vom bereits offenen Erdgasmarkt in Deutschland profitieren, heisst es auf der Homepage des Energiebetriebs.
Tiefere Preise trotz höherer Steuern in Deutschland
Die tieferen deutschen Gaspreise sind umso erstaunlicher, als dort Gas mit höheren Steuern belastet ist als in der Schweiz. Deutsche Kunden zahlen rund 24 Prozent Abgabe. Die Schweizer hingegen nur rund 18 Prozent – 8 Prozent Mehrwertsteuer und 10 Prozent für die CO2-Abgabe.
Ein ähnliches Bild bietet sich in Basel. Bei den Industriellen Werken Basel (IWB) kostet eine Heizgasmenge von 22 000 Kilowattstunden 1925 Franken. Im grenznahen Lörrach verlangt der lokale Grundversorger Badenova für dieselbe Menge nur 1766 Franken. Der Konkurrent, die Pfalzwerke AG in Ludwigshafen, verlangt 1442 Franken. 25 Prozent weniger als die IWB.
IWB-Sprecher Erik Rummer rechtfertigt den Preis damit, dass die Schweiz auf dem internationalen Markt weniger Rabatte bekäme als deutsche Grosskunden. «Die ganze Schweiz braucht jährlich so viel Gas wie die Stadt Hamburg.»
Anders als Kleinkunden dürfen in der Schweiz grosse Industriebetriebe selbst wählen, wo sie ihr Gas kaufen. Die Lonzawerke in Visp VS beziehen zum Beispiel seit 2011 das Gas bei der Erdgasbörse in Süddeutschland. Ersparnis: 30 Prozent. Auch Novartis in Basel spielt mit dem Gedanken, dem lokalen Monopolisten IWB den Rücken zu kehren.
Lokale Gasversorger schreiben regelmässig hohe Gewinne
Dank der Monopolsituation fahren die rund hundert lokalen Gasversorger der Schweiz schöne Gewinne ein. Genaue Zahlen werden verheimlicht. Eine Ausnahme bildet die Erdgas Zürich AG. Sie gehört zu 96 Prozent der Stadt Zürich. Die restlichen 4 Prozent teilen sich zwanzig Zürcher Gemeinden. Gemäss Jahresbericht erzielte das Unternehmen in den letzten fünf Jahren einen Jahresgewinn von durchschnittlich gut 40 Millionen Franken. Davon gehen jährlich rund 10 Millionen Franken als Steuern an den Staat. Erdgas Zürich bezahlte ihren Aktionären zudem eine Dividende von 21 Prozent. Das sind 14,4 Millionen Franken. Gelder, welche die Bezüger von Erdgas mit überhöhten Tarifen bezahlen.
Preisüberwacher nimmt Gasbranche unter die Lupe
Für die Kontrolle von Monopolpreisen ist der Preisüberwacher zuständig. Stefan Meierhans hat mit den zehn teuersten Werken Kontakt aufgenommen und untersucht einen möglichen Preismissbrauch. Um Transparenz zu schaffen, hat der Preisüberwacher die Gaspreise bei den Gasversorgungsunternehmen erhoben und publiziert sie auf der Website www.gaspreise.preisueberwacher.ch.
Fazit des Preisüberwachers: Im Moment wäre ein Gasmarkt mit freier Anbieterwahl vorteilhaft, aber dann müsste die Nutzung des Gasleitungsnetzes klar geregelt sein. Unabdingbar bei einer Marktöffnung sei, dass auch Kleinkunden von tieferen Preisen profitieren könnten.