Wer in der Schweiz ein Elektrogerät kauft, zahlt mit seinem Geld nicht nur die Hersteller, Importeure und Händler. Im Preis dürften auch Gebühren des Eidgenössischen Starkstrominspektorats (Esti) enthalten sein.
Es ist zwar grundsätzlich Sache der Produzenten und der Importeure zu gewährleisten, dass ihre Wasserkocher, Bohrmaschinen, Leuchten, Computer und Ladekabel den hiesigen Vorschriften entsprechen. Sie dürfen sich den Sicherheitsnachweis sogar selbst ausstellen. Allerdings müssen sie damit rechnen, Besuch von Esti-Inspektoren zu erhalten. Diese überprüfen die Sicherheit der Elektrogeräte für Haushalt, Büro, Gewerbe und Industrie auf dem Schweizer Markt stichprobenweise. 2019 sprachen sie 131 Verkaufsverbote aus.
Hersteller zahlen eine Gebühr, um das Zeichen S+ zu nutzen
Das Esti vergibt auch das Sicherheitszeichen «S+». Gerätehersteller und -importeure dürfen es verwenden, wenn sie ihre Produkte freiwillig von einer unabhängigen Prüfstelle für einen Sicherheitsnachweis unter die Lupe nehmen lassen. Nach bestandener Prüfung erteilt das Starkstrominspektorat gegen eine Gebühr (ab rund 1000 Franken) die Bewilligung, das Sicherheitszeichen auf dem Gerät anzubringen. Aktuell ist es auf rund 11000 Produkten zu finden.
Das Esti macht aber noch einiges mehr. Es beaufsichtigt zum Beispiel Bau, Betrieb und Wartung von Stark- und Schwachstromanlagen und genehmigt elektrische Installationen, darunter Solaranlagen. Auch dafür kassiert es Gebühren. Und diese fliessen reichlich: 2019 schrieb das Esti einen Gewinn von 1,14 Millionen Franken, wie ein Blick in die Jahresrechnung zeigt. Die Reserven stiegen damit auf über 5 Millionen Franken.
Keine Bundesstelle, sondern Teil eines privaten Verbands
Aufgaben und Kompetenzen des Esti ergeben sich aus der Stromgesetzgebung des Bundes, die auch die Gebührenfinanzierung regelt. Doch das Inspektorat ist keine Bundesstelle. Es ist ein Geschäftsbereich des Verbands Electrosuisse mit eigener Rechnung, den dieser im Auftrag des Bundes führt. Daraus folgt: Mit dem Esti garantiert der Bund einem privaten Verband stattliche Gebühreneinkünfte.
Heikel ist auch: Die Nähe von Esti und Electrosuisse verwischt die Grenze zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten. Dem Verband gehören rund 2000 Unternehmen aus der Elektro-, Energie- und Informationstechnikbranche an, deren Produkte und Anlagen das Inspektorat überwachen und kontrollieren soll.
Zweifel an der Unabhängigkeit des Esti kamen schon 2016 auf. Sie veranlassten das Bundesamt für Energie zu einer Untersuchung. Dabei «wurden einige wichtige Sachverhalte identifiziert, die die Unabhängigkeit des Esti einschränken oder gefährden», hielt der abschliessende Bericht des Bundesamts im Frühling 2017 fest.
Seither habe man die erkannten Mängel behoben, hält das Amt gegenüber saldo fest. Tatsächlich? Laut dem Büro des Preisüberwachers sorgt die Gebührenpraxis des Esti und dessen Verbandelung mit Electrosuisse noch immer für Irritation. Im Dezember 2019 wandte sich Preisüberwacher Stefan Meierhans mit deutlichen Worten ans Energiedepartement. Er hielt fest, dass die Esti-Gebühren «regelmässig Gegenstand von Bürgeranfragen» seien. Vergangenes Jahr führte er deshalb eine eigene Untersuchung durch – und kam zu einem geradezu vernichtenden Urteil: «Aus der Analyse ergibt sich, dass die einzelnen Gebühren sowie die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Tätigkeiten und deren Finanzierung intransparent und kaum nachzuvollziehen sind.» So könnten verbotene Quersubventionierungen zwischen den Aufgabenbereichen des Esti nicht ausgeschlossen werden.
Im Aufsichtsgremium sitzt ein Branchenvertreter
Deutliche Worte findet Meierhans zur Verflechtung von Esti und Electrosuisse. Diese sei «fragwürdig». Wenn man Staatsaufgaben so weitreichend «an eine private Organisation mit eigenen Interessen» delegiere, brauche es ein Kontrollsystem, das internationalen Standards genüge. Doch sei er «trotz mehrmaligen Nachfragens nicht auf Dokumente oder Regelwerke gestossen, die eine saubere Aufteilung der Ausführung, Kontrolle und Aufsicht dokumentieren würden».
Die Zweifel verstärkt auch die Zusammensetzung der Koordinationskommission Starkstrominspektorat. Sie soll im Auftrag des Bundes die Geschäftsführung des Esti überwachen. Da ist es seltsam, dass zur vierköpfigen Kommission auch ein Vorstandsmitglied von Electrosuisse zählt. Das heisst: Ein Vertreter des Elektroverbands beaufsichtigt die Behörde, die diesen Verband beaufsichtigen sollte.
Fest steht: Die Liste des Preisüberwachers mit Kritik und offenen Fragen ist beunruhigend lang. Unter dem Strich erkennt Meierhans «dringlichen Handlungsbedarf». Und was sagt das Esti dazu? Nichts. Es verwies saldo an das Energiedepartement. Dieses wiederum liess via Bundesamt für Energie ausrichten, man prüfe zurzeit, ob und wie «Organisation und Finanzierung der Kontrolle über die elektrischen Anlagen» verbessert werden könnten, und werde «zu gegebener Zeit über die Ergebnisse dieser Abklärungen informieren». Das lässt nicht unbedingt eine rasche Problemlösung erwarten.