Die Prämien in der Grundversicherung steigen und steigen. Ein grosser Kostentreiber sind die Medikamente. Die Krankenversicherer geben heute fast einen Viertel der Prämien dafür aus. Allein in den zwölf Monaten von Juli 2022 bis Juni 2023 waren es 9,1 Milliarden Franken – rund 800 Millionen Franken mehr als im Jahr zuvor. Das zeigen Zahlen des Tarifpools des Solothurner Gesundheitsdienstleisters Sasis.
Ein Hauptgrund für diese Entwicklung: Medikamente, die neu auf den Markt kommen, werden zunehmend teurer. Das Bundesamt für Gesundheit nahm seit Januar 2020 insgesamt 1898 Arzneimittelpackungen neu auf die Liste der Medikamente, welche die Krankenkassen vergüten müssen. Im Durchschnitt müssen Patienten für jedes dieser Medikamente 770 Franken pro Packung zahlen.
Zum Vergleich: In den Jahren 2010 bis 2019 kosteten neue Arzneimittel nur 392 Franken pro Packung, im Zeitraum von 2000 bis 2009 sogar nur 160 Franken. Das errechnete der Krankenkassenverband Curafutura für saldo. Wichtig: Die Packungsgrössen neuer Medikamente haben sich in dem Zeitraum nicht wesentlich verändert.
Auch der Preis von Generika hat sich innert acht Jahren verdoppelt. So kostet eine Packung zurzeit in der Apotheke oder beim Arzt im Durchschnitt 120 Franken. Im Jahr 2015 waren es noch 60 Franken. Auch für Originalmedikamente, deren Patent abgelaufen ist, müssen Patienten tiefer in die Tasche greifen als früher: Heute kostet ein solches Präparat im Durchschnitt 194 Franken pro Packung – 108 Franken mehr als noch im Jahr 2015.
Über 17'500 Franken für eine Packung mit 84 Tabletten
Hohe Preissteigerungen gibt es gemäss dem Medikamentenexperten Andreas Schiesser von Curafutura vor allem bei Arzneien gegen seltene Krankheiten, Krebs und Immunkrankheiten. Ein paar Beispiele:
Eine Packung mit 84 Tabletten des im Februar 2021 eingeführten Medikaments Trikafta kostet die Patienten Fr. 17'516.15. Das Mittel soll gegen die zystische Fibrose helfen – eine seltene Stoffwechselkrankheit, welche die Lunge zerstören kann.
Eine Spritze des im Juni 2020 neu eingeführten Präparats Beovu kostet Fr. 1007.20. Das sind 150 Franken mehr, als eine Spritze des Präparats Lucentis (Fr. 866.75) kostet, das 2014 auf den Markt kam. Beide helfen gegen die Augenkrankheit Makuladegeneration.
Der Ende 2021 eingeführte Impfstoff Shingrix soll vor Gürtelrose schützen. Eine Dosis kostet Fr. 174.50. Das sind 108 Franken mehr, als für eine Fertigspritze des älteren Impfstoffs Varilrix zu zahlen ist.
Das Bundesamt für Gesundheit könnte die Preisspirale bei den Medikamenten stoppen. Die Behörde legt die Preise neuer Heilmittel fest, die von der Krankenkasse bezahlt werden müssen. Aber sie wendet dabei Regeln an, welche die Preise in die Höhe treiben. Zum Beispiel rechnet das Amt beim obligatorischen Auslandsvergleich mit offiziellen Listenpreisen der Pharmakonzerne statt mit den real bezahlten Preisen.
Das bedeutet: Eigentlich sind die Medikamente in Europa viel günstiger, als das Bundesamt offiziell angibt. Zugleich berücksichtigt die Behörde beim Vergleich mit Konkurrenzprodukten stets ausschliesslich teure, patentgeschützte Originalpräparate und klammert günstige Generika und patentabgelaufene Originalpräparate aus. Der Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisiert diese Praxis seit Jahren («K-Tipp» 19/2018).