Die Kosten für die Krankenkasse bereiten den meisten Haushalten Jahr für Jahr mehr Sorgen. Die Prämien in der Grundversicherung stiegen von 1996 bis 2016 um 155 Prozent, die Löhne nur um 25 Prozent. Das stellt der Preisüberwacher in seinem aktuellen Jahresbericht fest.
Das Krankenversicherungsgesetz sieht vor, dass Versicherte in «bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» Anspruch auf Prämienverbilligungen haben, finanziert von Bund und Kantonen.
Doch diese Verbilligungen halten nicht Schritt mit dem Kostenanstieg. Im Jahr 2010 zahlte jeder Versicherte pro Jahr durchschnittlich 2834 Franken Prämien. Im Jahr 2016 waren es 3442 Franken – 21,5 Prozent mehr. Die Gelder für die Prämienverbilligungen nahmen im gleichen Zeitraum aber bloss um 8,3 Prozent auf insgesamt 4,3 Milliarden Franken zu. Knapp 2,3 Millionen Versicherte erhielten 2016 davon einen Krankenkassen-Zustupf – mehr als jeder Vierte.
Es trifft vor allem den unteren Mittelstand
Doch der untere Mittelstand – etwa junge Familien oder ältere Alleinstehende ohne Ergänzungsleistungen – geht zunehmend leer aus. Laut den Statistiken des Bundesamts für Gesundheit erhielten im Jahr 2016 im Vergleich zu 2010 genau 148 325 weniger Versicherte eine Prämienverbilligung. Allein im Kanton St. Gallen beispielsweise sank die Zahl der ordentlichen Bezüger um 43 578.
Und wer weiterhin Prämienverbilligungen erhält, bekommt weniger Geld. Zwischen 2010 und 2016 sank die durchschnittliche jährliche Verbilligung pro Prämienzahler von 1266 auf 1233 Franken. Bei einem Prämienanstieg von 21,5 Prozent müsste die Verbilligung aber 1538 Franken ausmachen, wenn sie im gleichen Ausmass erhöht worden wäre. Für die Verschlechterung auf dem Buckel der sozial Schwächeren gibt es drei Gründe:
Kantone zahlen weniger. In vielen Kantonen sparen die Politiker bei der Prämienverbilligung. Im Jahr 2016 zahlten die Kantone 174 Millionen Franken weniger in den Prämienverbilligungs-Topf ein als sechs Jahre zuvor. Der Kanton Bern etwa reduzierte seinen Anteil von 288 Millionen Franken auf 57 Millionen Franken, Wallis von 95 Millionen auf 52 Millionen, Luzern von 72 auf 49 Millionen, Nidwalden von 7 Millionen auf 840 000 Franken und Baselland von 52 auf 26 Millionen. Anders der Kanton Waadt: Er erhöhte den Anteil von 219 auf 302 Millionen Franken.
Ärmste verdrängen Arme. Die steigende Zahl der Bezüger von Sozialhilfe- und Ergänzungsleistungen (EL) schlägt sich bei den Prämienverbilligungen nieder. Für diese Gruppe wird die Prämie in der Regel vollständig übernommen, während sie anderen Versicherten meist nur verbilligt wird. Die Zahl der EL- und Sozialhilfebezüger stieg in den Jahren 2010 bis 2016 von 555 000 auf 667 000. Sie bezogen 54 Prozent aller Verbilligungsgelder, obwohl sie nur knapp 30 Prozent aller Bezüger ausmachten. Der Beitrag an die ordentliche Prämienverbilligung von Tieflöhnern reduzierte sich in diesem Zeitraum um 240 Millionen Franken.
Viele unbezahlte Prämien. Über 140 000 Versicherte bezahlen ihre Krankenkassenprämien nicht mehr und werden von den Kassen betrieben. Die Kantone müssen den Krankenkassen 85 Prozent der Ausfälle vergüten. Im Jahr 2016 betrugen die auf die Kantone überwälzten Kosten etwas mehr als 300 Millionen Franken. 2012 waren es noch 200 Millionen Franken. Werden diese Kosten aus dem kantonalen Prämienverbilligungs-Topf genommen, wie etwa in den Kantonen Zürich oder Solothurn, bleibt für den unteren Mittelstand weniger übrig.
Prämien: Das machen die Politiker in Bern
Die Politik hat das Problem erkannt: Der Bundesrat beschloss letzte Woche, dass die Kantone ab 2021 die Prämienverbilligungen für Kinder in Haushalten mit tiefen und mittleren Einkommen erhöhen müssen. CVP-Präsident Gerhard Pfister will im Herbst eine Volksinitiative für eine Kostenbremse im Gesundheitsbereich starten. Die SP plant ebenfalls eine Initiative, welche die Prämien der Krankenversicherung auf 10 Prozent des Haushalteinkommens begrenzt.