Aurelia Holzer (Name geändert) aus Bern hat rund 162 000 Franken auf ihrem Postkonto. Sie scheut sich davor, Wertschriften zu kaufen. Und sie besitzt kein Haus. Deshalb zwackt ihr die Postfinance von 62 000 Franken Negativzinsen ab. Monat für Monat sind das 39 Franken. Und darin sind die ständig steigenden Gebühren noch nicht eingerechnet.
Die Nationalbank erhebt von den Schweizer Geschäftsbanken Negativzinsen, um den starken Franken abzuschwächen. Die Banken überwälzen diese Minuszinsen auf die Kunden. Doch die Postfinance hat keinen Grund, bei den Negativzinsen so sehr zuzugreifen. Im Jahr 2016 musste sie der Nationalbank 24 Millionen Franken an Negativzinsen zahlen. Letztes Jahr waren es noch 2 Millionen, weil die Nationalbank den Freibetrag, auf dem die Postfinance keinen Negativzins entrichten muss, im November 2019 erhöht hatte. Gleichzeitig nahm die Postfinance von ihren Kunden und von Banken 174 Millionen an Negativzinsen ein.
Ein gutes Geschäft. Zudem: Allein in diesem Jahr erhöhte die Postfinance die Negativzinsen dreimal. Das heisst: Die Postbank nimmt noch viel mehr an Negativzinsen von Privat- und Geschäftskunden ein. Viele kleine und mittlere Unternehmen zahlen bei der Staatsbank für jeden Franken auf dem Konto Negativzinsen – keine Privatbank behandelt ihre Kunden so.
Mit Negativzinsen wird die Rendite aufgebessert
Jahrelang behauptete die Postfinance, sie müsse die Kunden «wegen der Negativzinsen auf Einlagen bei der Nationalbank» schröpfen. Jetzt, wo klar wird, dass das nicht stimmt, gibt sie gegenüber saldo zu: «Die Zahlung von Negativzinsen an die Nationalbank steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Verrechnung negativer Kundenzinsen.»
Das heisst: Die Belastung der Kunden mit Negativzinsen hat mit den Zahlungen an die Nationalbank wenig zu tun. Das eigentliche Problem sind die niedrigen Renditen auf dem Finanzmarkt. Diese will die Postfinance aufbessern, indem sie Negativzinsen erhebt. Zudem hat die Staatsbank gemäss eigenen Angaben Mühe, die Eigenkapitalanforderungen der Finanzmarktaufsicht zu erfüllen. Deshalb will sie «die Bilanz verkürzen», wie es im Bankenjargon heisst. Auf Deutsch: Sie will Kunden loswerden.
Das ist in den vergangenen Jahren gut gelungen: 241 000 Privatkunden und 26 000 Geschäftskunden kehrten der Postfinance seit 2016 den Rücken. Und das ist ganz im Sinne des Chefs. Im Frühjahr sagte Hansruedi Köng der «Aargauer Zeitung»: «Kunden, die nicht bereit sind, etwas zu bezahlen, und auch keine zusätzlichen Dienstleistungen nutzen, werden wir nicht vermissen.» Allein in den letzten zwölf Monaten zogen Kunden 14 Milliarden Franken von Postfinancekonten ab. In der gleichen Periode erzielte die Staatsbank einen Gewinn von 172 Millionen Franken.
Dabei könnte die Postfinance ihr Eigenkapital auch mit weniger rüden Methoden erhöhen, indem sie etwa ihre Gewinne behielte. Das schlägt die Finanzmarktaufsicht vor. Doch die Post greift der Postfinance immer wieder in die Kasse. In der Negativzinsära seit 2015 liess sie sich von ihrer Tochter Dividenden von insgesamt 734 Millionen Franken auszahlen.
Deshalb lässt die Postfinance ihre treuen Kunden wie Aurelia Holzer bluten. Und ist froh, wenn sie ihre Konten aufheben. Doch erfüllt die Postfinance damit noch ihren Grundversorgungsauftrag? In der Postverordnung steht: Die Postfinance müsse jeder in der Schweiz wohnhaften Person «das Eröffnen und Führen eines Zahlungsverkehrskontos ermöglichen». Zu den Kosten steht in der Postverordnung nichts.
Offenbar ist in Bundesbern niemand gewillt, den Verantwortlichen auf die Finger zu klopfen. Das zuständige Bundesamt für Kommunikation schreibt: «Die Post hat den Grundversorgungsauftrag im Zahlungsverkehr erfüllt.» Und Bundesrätin Simonetta Sommaruga schrieb dem «K-Tipp» im Februar, die Zinspolitik falle «in die Zuständigkeit und Verantwortung der Postfinance» («K-Tipp» 3/2021).
Stetiger Abbau der Postomaten
Die Post baut nicht nur Filialen und Briefkästen ab, sondern auch Postomaten. Seit Anfang Jahr gibts 71 Gelegenheiten weniger, Geld zu beziehen.
Jahrelang betrieb die Postfinance landesweit um die 1000 Postomaten. Der Höchststand war im Jahr 2016 mit 1005 Automaten erreicht. Seither nahm ihre Zahl stetig ab.
Doch nun hat die Postfinance das Tempo erhöht: Seit Anfang Jahr entfernte sie 71 Geräte – zum einen sämtliche 43 Postomaten mit Einzahlfunktion. Sie waren wegen Defekten häufig ausser Betrieb. Statt die technischen Probleme zu lösen, schraubte die Postfinance die Automaten kurzerhand ab. Zudem wurden auch 28 normale Postomaten stillgelegt. Inzwischen gibt es noch 890. Die Postfinance begründet den Abbau damit, dass die «Anzahl Bargeldbezüge an den Postomaten rückläufig» sei. Deshalb würden künftig weitere Geldautomaten abgebaut.
Die Zahl der von Banken betriebenen Bancomaten blieb fast konstant. Seit Anfang Jahr verschwanden nur 1 Prozent der Geräte – nicht 7 Prozent wie bei der Post. Die Raiffeisenbanken bauten ihr Automatennetz noch bis 2019 aus. Dieses Jahr entfernte Raiffeisen knapp 1 Prozent der Geräte. Zurzeit sind noch 1744 Bancomaten in Betrieb. Die Credit Suisse und die UBS geben zur Entwicklung der Bancomaten-Zahlen keine konkrete Auskunft.