Viele Kunden staunten nicht schlecht, als sie Unterlagen lasen, die ihnen Postfinance per Post geschickt hatte. Es waren Informationen zum Facta-Abkommen zwischen der Schweiz und den USA sowie zwei Dokumente zum Ausfüllen. Mit dem Abkommen wollen die USA erreichen, dass ausländische Konten von Personen, die in den USA steuerpflichtig sind, besteuert werden können.
In einem der Postfinance-Dokumente muss der Kunde erklären, dass sämtliche bei Postfinance angelegten Vermögenswerte im Einklang mit den zuständigen ausländischen Steuerbehörden deklariert sind. Im zweiten entbindet der Kunde Postfinance vom Post- und Bankkundengeheimnis.
Allein schon diese beiden Dokumente sind starker Tabak. Obwohl der Kunde gemäss schweizerischem Gesetz ein Anrecht auf das Bankgeheimnis hat, verlangt Postfinance, dass er darauf verzichtet.
Es kommt aber noch dicker: Im Begleitbrief fordern die Postfinance-Verantwortlichen unmissverständlich: «Bitte beachten Sie, dass der Betrag von … bis zum Eingang der Dokumente blockiert bleibt.» Das heisst: Postfinance will nicht nur, dass der Kunde auf sein Recht auf das Bankgeheimnis verzichtet – die Bank sperrt gleich auch noch einen Teilbetrag seines Kontos, um ihn so zur Unterschrift zu bewegen.
Postfinance hat Angst vor Bussen in den USA
Wie vielen Kunden Postfinance die Konten blockiert hat, will Sprecher Johannes Möri nicht sagen. Nur so viel: Postfinance habe sich im US-Steuerdeal für die Kategorie 2 angemeldet. Diese Banken müssten den US-amerikanischen Behörden innert bestimmter Fristen gewisse Informationen und Dokumente über ihr US-Geschäft, über ihre US-Kundschaft und Mitarbeitende zustellen. Mit Hilfe der verschickten Dokumente könne Postfinance feststellen, ob die Kunden vom US-Steuerdeal betroffen und ob allenfalls Vermögen korrekt versteuert worden seien. «Für jede Kundenbeziehung, deren US-Steuerkonformität nicht vollständig belegt werden kann, droht Postfinance in den USA eine erhebliche Busse», hält Möri weiter fest.
Einer der Betroffenen ist saldo-Leser Markus Imboden aus Solothurn. Er arbeitete vor rund einem Jahrzehnt in den USA – drei Jahre lang. Er versteuerte dort sein Einkommen und Vermögen stets korrekt. Die Postfinance ist Imbodens langjährige Hausbank. Sie setzte ihrem Kunden fürs Ausfüllen und Einreichen des Formulars eine Frist von zwei Wochen. Inzwischen blockierte Postfinance einen fünfstelligen Betrag.
«AGB erlauben Blockierung des Kontos nicht»
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Postfinance finden sich zwar zwei Artikel, die auf Kontosperrungen Bezug nehmen. Stephan Heiniger, Leiter der Rechtsberatung von saldo, hat sie genau angeschaut. Sein Fazit: «Weder Artikel 16 noch Artikel 22 der AGB geben der Postfinance das Recht, Geld eines Kunden auf dem Konto zu blockieren, bis er ein Formular ausgefüllt hat.» Postfinance dürfe eine Kundenbeziehung kündigen – nicht aber dem Kunden Geld vorenthalten, betont Heiniger.
Strafrechtsprofessor kritisiert Vorgehen von Postfinance
Ist die Blockierung eines Kontos mit der Aufforderung zur Entbindung des Bankgeheimnisses also gesetzwidrig? «Das kann man schon als an Nötigung grenzend anschauen», hält Strafrechtsprofessor Niklaus Ruckstuhl von der Universität Basel fest. Denn falls der Kunde die Dokumente nicht unterschreiben wolle, müsste er oder die Post die Möglichkeit haben, die Kundenbeziehung zu beenden. «Und der Kunde muss die Vermögenswerte beziehen oder auf ein anderes Konto überweisen lassen können», so Ruckstuhl. «Wenn diese aber gesperrt bleiben, wird der Kunde durchaus genötigt, die Dokumente zu unterzeichnen, wenn er über die Vermögenswerte wieder verfügen will.»
Die neuen «Bestimmungen» der Post seien eine Veränderung der Vertragsgrundlagen, die der Kunde annehmen könne oder nicht. Gemäss Niklaus Ruckstuhl müsste Postfinance die Kundenbeziehung kündigen, wenn der Kunde die neuen Bedingungen nicht eingehen will. Und nicht der Kunde, da dieser ja keine Veränderung wünsche.