Der «Gemischtwarenladen» Post ärgert nicht nur die Kunden (saldo 1/13). Er belastet auch die Angestellten der Post selbst. Das zeigt eine Umfrage der Gewerkschaft Syndicom. Sie wollte in der zweiten Jahreshälfte 2014 von ihren Mitgliedern bei der Post wissen, was sie von den Verkaufsvorgaben halten. Rund 660 Fragebogen kamen ausgefüllt zurück. Das Ergebnis ist laut Syndicom «alarmierend».
58 Prozent der Schalterangestellten empfinden die Verkaufsziele als «sehr hoch». Nur 4,5 Prozent der Mitarbeiter erachten sie als «realistisch» und erreichen sie auch.
Rigoroses Punktsystem für jeden Mitarbeiter
Die Post legt die Verkaufsziele mit Punkten fest. Beispiel: Eine Poststelle muss pro Jahr mit dem Verkauf von Handy- und Internetabos 200 Punkte erreichen. Der Poststellenleiter verteilt dieses Punkteziel auf die Mitarbeiter entsprechend ihren Pensen. Bei fünf Mitarbeitern mit einem Vollzeitpensum müsste jeder Angestellte 40 Punkte erreichen. Für den Neuabschluss eines Handyabos gibt es drei Punkte, für eine Aboverlängerung zwei Punkte.
Vorgaben erhalten die Mitarbeiter auch für die Bereiche Postfinance, Versicherungen und Drittprodukte wie Autobahnvignetten, Glückslose und Papeterieartikel.
saldo hat mit zwei Postangestellten gesprochen. Ein Poststellenleiter aus dem Kanton Solothurn sagt, die Ziele seien «völlig überrissen». Er erhält einmal pro Jahr von seinem Vorgesetzen eine Liste mit der zu erreichenden Gesamtpunktzahl, aufgeteilt auf die Bereiche.
Die Mitarbeiter erhalten vom Poststellenleiter ein Zielvereinbarungsblatt. Darauf ist festgehalten, wie viele Punkte sie in diesem Jahr pro Bereich erwirtschaften müssen. Wer diese Ziele erreicht, erhält Ende Jahr einen Bonus von einigen hundert Franken. Wer sie verfehlt, bekommt eine schlechte Qualifikation.
Laut dem Poststellenleiter sind die Vorgaben in allen Bereichen zu hoch, seine Filiale habe das Punkteziel im Jahr 2013 nicht einmal zur Hälfte erreicht. «Dennoch wurde das Ziel für 2014 nochmals erhöht.» Ein Mitbestimmungsrecht beim Sortiment hat er nicht.
«Wir werden nur noch nach den Verkaufszahlen beurteilt», sagt der Poststellenleiter. Dabei würden seine Mitarbeiter 80 bis 90 Prozent ihrer Arbeitszeit für das Kerngeschäft aufwenden: fürs Entgegennehmen von Briefen und Paketen und das Abwickeln der Einzahlungen. «Man wird vom Vorgesetzten im Qualifikationsgespräch als Pfeife hingestellt, weil man die Verkaufsziele nicht erreicht hat. Unser Hauptjob zählt nichts mehr», so sein Fazit.
«Guter Service public ist nicht mehr wichtig»
Eine Zürcher Postangestellte erzählt saldo, wie der Verkauf von Drittprodukten sie belastet. «Ich habe Mühe, eine Reiseversicherung zu verkaufen, die mir zu teuer erscheint.» Zudem komme sie sich blöd vor, Produkte anzupreisen, über die sie nicht Bescheid wisse. So habe sie keinen Überblick über alle möglichen Handy-, Internet- und Fernsehabos. Gemäss dem Poststellenleiter werden die Angestellten bezüglich der Handyabos gar nicht geschult.
Ähnlich lauten die Kommentare auf den Syndicom-Fragebögen, die saldo vorliegen: «Nach einem Arbeitstag geht man ausgelaugt und frustriert nach Hause, weil nur die Verkaufsziele zählen!» Oder: «Einen guten Service public zu leisten ist nicht mehr zentral. Gewinne sind das Wichtigste!»
Laut Syndicom halten einige Poststellenleiter ihre Angestellten sogar dazu an, Freunden und Bekannten Handyabos zu verkaufen, um die geforderten Punkte zu erreichen. Eine Postangestellte gab auf dem Fragebogen an, selbst einmal pro Monat ein Fixnetztelefon zu kaufen – nur damit sie die Ziele erreiche.
Post-Sprecher Bernhard Bürki stellt das Resultat der Syndicom-Umfrage in Abrede. Die Mehrheit der Schalterangestellten schätze die Arbeit. Das gehe aus der eigenen jährlichen Personalumfrage bei den fast 10 000 Mitarbeitenden im Bereich Poststellen und Verkauf hervor. Um die Ziele zu erreichen, würden die Mitarbeiter mit Verkaufstrainings unterstützt. Nur 0,8 Prozent der Lohnsumme sei für Leistungsboni reserviert.
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Oberste Chefs absetzen
So ist das inzwischen überall. Es zählen nur die Zahlen, und die Mitarbeiter sind Kostenfaktoren. Pfui diesen studierten Chefs.