Die Post betrieb vor 15 Jahren rund 20 000 Briefkästen. Heute sind es noch knapp 14 500. Das heisst: Gut jeder vierte Briefkasten ist seit dem Jahr 2005 verschwunden.
Doch der Abbau des Service ist noch viel schlimmer. Denn die Post leert über die Hälfte der Briefkästen werktags nach 10 Uhr nicht mehr. Wer möchte, dass sein A-Post-Brief am folgenden Tag ankommt, muss ihn frühmorgens einwerfen.
Die frühen Leerungszeiten sind auch für Angestellte ein Problem, welche die Geschäftskorrespondenz auf dem Nachhauseweg noch einwerfen möchten. Denn nach 17 Uhr wird nicht einmal mehr ein Drittel der Briefkästen geleert. Und sonntags werden überhaupt nur 12 Prozent der Briefkästen geleert. Das zeigen saldo-Auswertungen von Daten auf der Post- Website.
2011 wurde noch ein Ausbau der Leerungen versprochen
Das passt nicht zu den Ankündigungen der Post vom Mai 2011. An einer Medienkonferenz sagte der damalige Post Chef Jürg Bucher, die Post werde die Briefkästen ab September 2011 später leeren: 6700 Briefkästen werktags nach 17 Uhr, 457 werktags nach 19 Uhr und 396 sonntags nach 17 Uhr.
Wie sieht es heute, knapp zehn Jahre nach der damaligen Ankündigung, aus? Wie erwähnt wird werktags nach 17 Uhr gesamtschweizerisch nicht einmal mehr ein Drittel der Briefkästen geleert. Das sind 4411 – minus 34 Prozent. Nach 19 Uhr sind es noch 131 – minus 71 Prozent. Und sonntags nach 17 Uhr 194 – das sind minus 51 Prozent.
Kommt dazu: Diese Zahlen sind geschönt. Denn viele Briefkästen werden separat aufgeführt, obwohl sie am gleichen Ort stehen. Von den 131 Briefkästen, die werktags nach 19 Uhr geleert werden, befinden sich 40 auf Basler Stadtgebiet. Weitere 11 am Bahnhof Bern. 3 davon stehen unmittelbar nebeneinander. Am Bahnhof Luzern befinden sich auch 11 Kästen, am Bahnhof Zürich 9 und am Bahnhof Lausanne 6.
Sonntags sieht es in vielen Kantonen düster aus
Sonntags sieht es nach 17 Uhr ähnlich aus. Die 194 Briefkästen, die noch geleert werden, sind schlecht über die Schweiz verteilt. Sie befinden sich grösstenteils im Mittelland. Andererseits werden in 15 Kantone am Sonntag die Kästen überhaupt nicht mehr geleert: Wallis, Tessin, Ob- und Nidwalden, Uri, Zug, Schwyz, Glarus, Graubünden, Appenzell Inner- und Ausserrhoden. Dazu die Grenzkantone Neuenburg, Jura und Thurgau. Und auch der relativ zentral gelegene Kanton Freiburg.
Die Post behauptet, in diesen Kantonen würden die Briefkästen weniger benutzt. Sie schreibt: «Pendler aus peripheren Gebieten geben ihre Briefe auch auf dem Arbeitsweg in urbanen Zentren wie Bern, Basel, Genf oder Zürich auf.»
Doch dieses Argument sticht nicht. Denn sonntags sind in der Schweiz wenige Pendler unterwegs. Die Post sagt weiter, die frühen Leerungszeiten hätten mit der abnehmenden Briefmenge zu tun. Die Zahl der Briefe sei in den vergangenen zehn Jahren um rund 25 Prozent gesunken. Und die Post habe den Auftrag, wirtschaftlich zu handeln: «Das ist hier der Fall.»
Eine andere Erklärung wäre: Die Briefmenge ist auch deshalb so stark zurückgegangen, weil die Post die Leerungszeiten der gelben Briefkästen in den letzten Jahren zeitlich immer weiter vorverlegte.
saldo-Leser: «Die Post kommt immer später»
Bei saldo häufen sich Zuschriften von Leserinnen und Lesern, die sich darüber beklagen, dass sie ihre Post nicht mehr am Vormittag erhalten.
«Ich wohne in der Stadt Bern und erhalte die Post um 15 Uhr», heisst es etwa. Ein Leser aus Wichtrach BE schreibt: «Die Post kommt erst zwischen 15.30 und 16.30 Uhr.» Und ein Leser aus dem solothurnischen Gretzenbach berichtet: «Im Extremfall wird es sogar 17 Uhr.»
Die Post bestätigt die Verzögerungen. Sie führt mehrere Gründe dafür ins Feld. Wegen Corona müssten in den Brief- und Paketzentren die Abstandsregeln eingehalten werden. Das führe zu einer Verlangsamung. Zudem hätten die Briefträger nun längere Touren. Das sei in Bern, Wichtrach und Gretzenbach der Fall. Laut der Post könne es «ein bisschen dauern, bis die Angestellten mit den neuen Prozessen vertraut und eingespielt sind».