Wer seinen Plastikabfall rezyklieren will, kann das heute bereits in 410 Gemeinden tun: Plastikverpackungen werden dort in separaten Abfallsäcken gesammelt. Der Preis pro 35-Liter-Sack beträgt etwa in Allschwil BL 72 Rappen. Das Problem: Es gibt in der Schweiz keine Sortieranlagen für Plastik. Deshalb wird der Abfall mit Lastwagen nach Deutschland gefahren. Dort wird er mit Kunststoffmüll aus der ganzen EU gemischt, zerkleinert, gewaschen, sortiert und eingeschmolzen. Aus dem Recyclinggranulat entstehen neue Produkte – etwa die gebührenpflichtigen Schweizer Abfallsäcke.
Rezyklieranlage lohnt sich erst bei grossen Mengen
Ist dieser Aufwand ökonomisch und ökologisch sinnvoll? Gemäss dem Plastikfabrikanten Toppac in Schwarzenbach SG ist das Rezyklieren von Plastikabfall in der Schweiz erst ab einer Menge von 40 000 Tonnen pro Jahr wirtschaftlich interessant. Das heisst: Erst dann würde sich eine Rezyklieranlage in der Schweiz lohnen. Gemäss dem Verein Schweizer Plastic Recycler wurden im Jahr 2020 aber nur total 3351 Tonnen Kunststoff wiederverwertet. Um auf 40 000 Tonnen zu kommen, müssten alle Haushalte in der Schweiz konsequent Plastikabfall sammeln und ihn auch separat entsorgen. Das errechnete die Umweltberatungsfirma Carbotech im Auftrag des Bundesamts für Umwelt, der Recyclingbranche sowie von acht Kantonen – darunter Bern, Basel und Zürich.
Laut Studienleiter Fredy Dinkel ist der Nutzen für die Umwelt sehr klein: «Sammelt eine vierköpfige Familie ein ganzes Jahr lang Plastikabfälle separat und nutzt Gebührensäcke aus Recyclingplastik, dann entspricht das dem eingesparten CO2-Ausstoss einer Autofahrt von 300 Kilometern.» Oder der Strecke von Basel nach Chiasso.
Trotzdem setzen Zürich und Basel künftig auf eine separate Kunststoffsammlung. Noch im ersten Quartal 2022 will Zürich bekanntgeben, wie man künftig Plastikabfälle sammeln will, die bisher im Kehrichtsack landeten. Sicher ist: Es wird gebührenpflichtig sein. 2023 will Zürich zudem den weissen «Züri-Sack» durch einen Kehrichtsack aus gebrauchtem Plastik ersetzen.
Rezyklierte Abfallsäcke: «Praktisch kein Umweltnutzen»
In Basel läuft zurzeit ein Pilotprojekt zur Kunststoffsammlung. Und ab dem Jahr 2023 will Basel den gebührenpflichtigen «Bebbi-Sagg» ebenfalls aus rezykliertem Plastikabfall beziehen. Die Basler Regierung schreibt aber in einem Bericht an das Kantonsparlament, die neuen Abfallsäcke hätten «praktisch keinen Umweltnutzen». Weshalb setzt man trotzdem aufs Plastikrecycling? Laut dem Basler Amt für Umwelt und Energie sei das Ziel, den anfallenden Plastikabfall irgendwann möglichst lokal oder regional zu rezyklieren. Das sei ökologischer als die heutige Praxis.
Für Umweltberater Dinkel sind solche Kunststoffsammlungen nicht nur ökologisch, sondern auch kostenmässig fragwürdig: Mit 750 Franken pro Tonne komme das Plastikrecycling die Gemeinden drei Mal so teuer zu stehen wie das Verbrennen von Kehricht. Landesweit entstünden über 100 Millionen Franken Mehrkosten. Jeder Haushalt müsste 20 Prozent mehr Abfallgebühren bezahlen. Dinkel sagt dazu: «Wer im Jahr auf ein einziges Entrecôte verzichtet, hat für die Umwelt mehr erreicht als mit der Plastiksammlung.»