Exakt 1004 Versicherte erhielten im letzten Jahr Medikamente für über 100 000 Franken. Das kostete die Prämienzahler über 100 Millionen Franken. Vier Jahre früher zählten die Kassen erst 324 Grundversicherte mit so hohen Medikamentenkosten. Das zeigt eine Umfrage von saldo bei acht Krankenkassen.
Grund der Zunahme: Die Hersteller setzen auf extrem teure neue Medikamente, die nur wenigen Patienten zugute kommen. Unter anderem auf Mittel gegen Hepatitis C, seltene Krankheiten und Krebs. Ein Kostentreiber sind neue Kom-bitherapien.
Beispiel Brustkrebs: Patientinnen erhalten neu drei statt zwei Präparate. Die Therapie kostet so 9542 Franken im Monat – 120 Prozent mehr als bisher.
Beispiel schwarzer Hautkrebs: Die Kombitherapie verlängert das Leben der Behandelten im Durchschnitt um knapp vier Monate. Die beiden verwendeten Präparate kosten 9947 Franken im Monat. Die bisherige Behandlung war 40 Prozent billiger.
Hersteller verlangen im Ausland tiefere Preise
Andreas Schiesser vom Krankenkassenverband Santésuisse wirft dem Bundesamt für Gesundheit vor, an der Kostenexplosion mitschuldig zu sein. Es addiere einfach die Einzelpreise der Medikamente der Kombitherapie. Das Bundesamt entgegnet, es berücksichtige bei der Preisbildung die Wirkung vorhandener Therapien und die Preise im Ausland. Bei kombiniert eingesetzten Arzneimitteln dürfe man zudem nicht «deutlich tiefere Preise als im Ausland» festlegen, sonst würden die Medikamente «in der Schweiz nicht mehr angeboten». Das ist Schwarzmalerei: Die Hersteller verkaufen den Grossteil der Präparate im Ausland zu tieferen Preisen als in der Schweiz.
Als «Lösung» verpflichtet der Bund die Hersteller, für einzelne Kombipräparate Rückvergütungen zu zahlen. Beispiel: Roche erstattet für das kombiniert eingesetzte Brustkrebsmittel Perjeta den Kassen 737 Franken. Ein Fläschchen kostet 3762 Franken.
Laut dem Ex-Pharmamanager Andreas Keusch fliesst das von den Pharmaunternehmen zurückerstattete Geld nicht an die Patienten: «Was die Kassen damit machen, ist undurchsichtig.» Keusch fordert, dass für jede Krankheit eine Obergrenze der Therapiekosten festgelegt wird: «Das zwingt Hersteller, möglichst bezahlbare, effiziente Therapien zu entwickeln, und Ärzte, diese zu verordnen.»
Darum steigen die Prämien
Letztes Jahr gingen 43 Prozent aller Gelder der Grundversicherung an die Spitäler (13 Milliarden Franken). Innert 10 Jahren stiegen ihre ambulanten Kosten um 89 Prozent.
Medikamente und Behandlungen für jährlich bis zu 7 Milliarden Franken sind unnötig. Davon rechnen Ärzte, Labore und Spitäler ein Drittel über die Grundversicherung ab («K-Tipp» 16/2015). Sparpotenzial pro Jahr: 2,3 Milliarden Franken.
Innert der letzten 10 Jahre verdoppelten sich die Kosten für Medizingeräte oder Hilfsmittel. Der Bundesrat hat die gegenüber dem Ausland deutlich höheren Preise der «Mittel- und Gegenstandsliste» bisher nicht korrigiert. Sparpotenzial pro Jahr: 100 Millionen Franken.
Grössere Spitäler versorgen Patienten sicherer und günstiger als kleine. Die Kantone verhindern oft die Schliessung von Kleinspitälern. Sparpotenzial pro Jahr: 1 Milliarde Franken.
In keinem anderen Land Europas zahlen die Kassen so viel für Medikamente wie in der Schweiz. Der Bundesrat will die Preise trotzdem weiter nur alle drei Jahre überprüfen und nicht jedes Jahr. Sparpotenzial pro Jahr: mindestens 300 Millionen Franken.