Die Prämien der Krankenkassen steigen 2023 um 6,6 Prozent im Vergleich zu 2022: Die mittlere Prämie beträgt neu Fr. 334.70 Franken pro Monat. Den höchsten Aufschlag müssen Prämienzahler im Kanton Neuenburg bezahlen: Im Durchschnitt sind es Fr. 33.70 pro Monat. Im Kanton Uri steigt die Monatsprämie indes nur um Fr. 12.20.
Schuld daran sind auch überteuerte Medikamente. Seit 2014 stiegen die Ausgaben für Arzneimittel in der Grundversicherung um 50 Prozent. Allein in den letzten zwölf Monaten mussten sie 700 Millionen Franken mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Das belegen Zahlen des Tarifpools des Gesundheitsdienstleisters Sasis AG und des Kassenverbands Curafutura.
Ein Blick in die Geschäftsberichte der Medikamentenhersteller zeigt: Allein der US-Konzern Vertex machte im ersten Halbjahr 2022 weltweit 4,1 Milliarden Franken Umsatz und verbuchte 1,5 Milliarden Franken Gewinn nach Steuern. Die Gewinnmarge des Konzerns über alle Medikamente hinweg beträgt 37 Prozent.
Das ist kein Wunder: In der Schweiz kostet eine Jahresbehandlung mit dem Vertex-Präparat Trikafta gegen die zystische Fibrose 238 000 Franken pro Patient – abzüglich eines Rabatts in unbekannter Höhe. So will es das Bundesamt für Gesundheit. Die Produktion der gleichen Jahresration kostet Vertex laut einer neuen US-Studie aber nur 5500 Franken – ein Vierzigstel des Schweizer Listenpreises.
Für das erste Halbjahr meldete auch der Basler Roche-Konzern 9 Milliarden Reingewinn bei 32 Milliarden Franken Umsatz. Gewinnmarge: 28 Prozent. Das US-Unternehmen Pfizer kam im gleichen Zeitraum auf 52 Milliarden Franken Umsatz und machte 17 Milliarden Franken Gewinn – das ist eine Marge von 33 Prozent.
Darzalex: Von 1000 Franken fliessen 710 in die Firmenkasse
Auch eine Studie der Nichtregierungsorganisation Public Eye zu sechs Krebsmedikamenten zeigt: Die Hersteller erzielen «astronomische Gewinne» auf dem Rücken der Prämienzahler. Ihre Gewinnmargen betragen gemäss Studie 43 bis 88 Prozent vom Verkaufspreis der Präparate. Beim Leukämiemittel Darzalex zum Beispiel fliessen von 1000 Franken aus dem Portemonnaie der Patienten 710 Franken als Profit an Hersteller Johnson & Johnson. Beim Brustkrebsmittel Kisqali landen 430 Franken der 1000 Franken bei Novartis. Public-Eye-Experten schätzten Forschungs- und Produktionskosten pro Präparat und ermittelten anhand der Umsätze die Schweizer Margen der Hersteller.
Die Pharmakonzerne reagierten verärgert auf die Studie. Ein Sprecher ihres Lobbyverbands Interpharma lieferte zwar keine Zahlen, bezeichnete die genannten Margen aber in der NZZ als «äusserst fragwürdig.» Er behauptete, die Autoren hätten Kostenblöcke etwa für die Grundlagenforschung nicht berücksichtigt.
Public Eye sagt dazu, die Grundlagenforschung etwa an Hochschulen werde zum grossen Teil aus Steuergeldern bezahlt. Auch die renommierte österreichische Arzneimittelexpertin Sabine Vogler nimmt die Studie in Schutz. Sie sagt zu saldo: «Die Annahmen sind klar ausgewiesen, schlüssig und teilweise durchaus zurückhaltend.» Vor drei Jahren kalkulierten Journalisten des Westschweizer Fernsehens RTS die Gewinnmarge bei drei Krebsmitteln. Sie kamen auf über 80 Prozent der Verkaufspreise.
Italien und Frankreich fordern Kostentransparenz
Für Thomas Cerny, Präsident von Krebsforschung Schweiz, haben «horrende Medikamentenpreise längst nichts mehr mit den realen Forschungs- und Herstellungskosten zu tun». Italien und Frankreich geben Gegensteuer. Dort müssen Hersteller künftig ihre Investitionen offenlegen, wenn Kassen die Therapien mit einem neuen Präparat bezahlen sollen. In einer Fragestunde im Nationalrat Mitte September wollte Nationalrätin Léonore Porchet (Grüne) wissen, wann der Bundesrat Pharmafirmen verpflichte, ihre Investitionen zu publizieren. Bundesrat Alain Berset sagte ausweichend, man beobachte die internationale Entwicklung.