Das im September zur Abstimmung kommende Gesetzespaket zur Altersreform führt bei der 2. Säule zu höheren Lohnabzügen und tieferen Renten. Diese Abbaumassnahmen seien unvermeidlich, sagen die Befürworter der Reform. Josef Hunkeler, Ökonom und ehemaliger Experte des Preisüberwachers, ist anderer Meinung. Er analysierte kürzlich die öffentlich verfügbaren Pensionskassenstatistiken und verglich sie mit weiteren Quellen. Sein Fazit: Schwarzmalerei und Untergangsszenarien sind unangebracht.
Hunkeler hatte es bei seiner Arbeit nicht leicht. Er stellte fest, dass die Pensionskassen zunehmend ein Versteckspiel betreiben: «Die Details der Ertragsseite der Kapitalanlagen werden seit zwei Jahren nicht mehr publiziert.» Das ist nach seiner Ansicht umso stossender, als es sich bei den Vorsorgegeldern um einen der grössten Vermögensanteile der Nation handelt. Gleichzeitig sei die 2. Säule die wichtigste Form nationalen Zwangssparens. Hunkeler: «Es wäre schön, wenn die betroffene Bevölkerung über die echte Lage in diesem Geschäft informiert würde.»
Den publizierten Zahlen entnahm Hunkeler, dass die Pensionskassen Ende 2015 insgesamt 788,1 Milliarden Franken an Vorsorgegeldern horteten. Die Anlageerträge der Pensionskassen – ohne Berücksichtigung der Buchgewinne und -verluste – sind nicht gerade berauschend. Von 2008 bis 2015 erzielten die Pensionskassen eine Rendite zwischen 1,14 und 2,8 Prozent (siehe Grafik im PDF). Besser machten es die Lebensversicherer. Die von ihnen verwalteten Pensionskassengelder von 186,4 Milliarden Franken warfen einen Ertrag zwischen 2,5 und 4,5 Prozent ab. Kommentar des Ökonomen: «Pensionskassen leben offenbar nicht in der gleichen Welt wie die Lebensversicherer.»
Ein Anlageertrag von 3,54 Prozent reicht aus
Laut Hunkeler genügt ein Zinsertrag von jährlich 3,54 Prozent bei 2 Prozent Verwaltungskosten, um den aktuellen gesetzlichen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent zu finanzieren. Die Lebensversicherer zeigen, dass dies möglich ist. Sie erzielten von 2008 bis 2015 im Durchschnitt eine Rendite von 3,58 Prozent auf das Anlagevermögen.
Stimmt die Bevölkerung der Vorlage zur Altersreform im September zu, sinkt der Umwandlungssatz auf 6 Prozent und die Renten sinken um 12 Prozent. Hunkeler hat dazu Brisantes errechnet: Das würde bedeuten, dass 44,4 Prozent der Erträge auf dem Alterskapital der Versicherten an die Pensionskassen- und Vermögensverwalter gehen könnten. Und nur der Rest der Kapitalrendite käme noch den Sparern zugut. Hunkelers Fazit: «Die Verwaltungskosten, insbesondere die Vermögensverwaltungskosten haben Niveaus erreicht, die hinterfragt werden müssen.
Ökonom Hunkeler ist überzeugt, dass die Anlageerträge ihre Rolle als «dritter Prämienzahler» keineswegs ausgespielt haben. Die pessimistische Grundhaltung der Kassen in Bezug auf die Anlageerträge zur Finanzierung zukünftiger Renten entbehrten «weitgehend realistischer Grundlagen». Hunkeler fordert die Abkehr von festverzinslichen Anlagen hin zu mehr Direktinvestitionen in reale Werte wie Immobilien oder Aktien. Langfristig bringen Aktien klar höhere Erträge als zum Beispiel Obligationen. Das belegen die Indizes für die berufliche Vorsorge der Genfer Bank Pictet.
Hanspeter Konrad, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbandes, widerspricht. Der Anteil Investitionen in festverzinsliche Anlagen sei in den letzten Jahren «stark zurückgegangen». Und der Renditevergleich zwischen Pensionskassen und Lebensversicherer hinke. Die Differenzen erklärt er mit «unterschiedlichen regulatorischen Vorgaben» und «unterschiedlichen Anlagestrategien».