Der Umwandlungssatz bestimmt die Höhe der künftigen Altersrente. Heute müssen die Pensionskassen das fürs Alter gesparte Kapital mit einem Umwandlungssatz von mindestens 6,8 Prozent in die Rente umrechnen. So steht es im Gesetz. Beispiel: Bei einem Alterskapital von 200 000 Franken resultiert bei einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent eine monatliche Rente von 1133 Franken.
Im Rahmen der Reform «Altersvorsorge 2020» hat das Parlament beschlossen, den Mindestumwandlungssatz auf 6 Prozent zu senken. Das bedeutet: Bei 200 000 Franken Alterskapital sinkt die Mindestrente auf 1000 Franken monatlich. Diese Senkung ist Teil der Altersvorlage, die am 24. September zur Abstimmung kommt.
Realer Umwandlungssatz schon jetzt viel tiefer
Bereits heute rechnen aber viele Pensionskassen mit einem tieferen Umwandlungssatz. Zum Beispiel die BVK, die Pensionskasse der Angestellten des Kantons Zürich. Bei Versicherten mit Jahrgang 1957 berechnet die BVK die Rente mit einem Umwandlungssatz von 4,82 Prozent. Das ist zulässig, wenn die Angestellten neben den laut Gesetz geschuldeten obligatorischen Lohnabzügen noch freiwillige Prämien einzahlen. Der Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent gilt nämlich nur für die obligatorische
2. Säule. Diese umfasst das Einkommen von Angestellten zwischen 21 150 und 84 600 Franken.
Bei vielen Angestellten sind aber die Abzüge auch auf Lohnbestandteilen unter 21 150 Franken berechnet. Oder über 84 600 Franken – sofern sie mehr verdienen.
Das gesparte Kapital, welches das obligatorische Altersguthaben überschreitet, ist aber nicht durch den gesetzlichen Umwandlungssatz geschützt. Sprich: Die Pensionskassen können eigenmächtig festlegen, wie viel Rente sie auf dem Überobligatorium bezahlen wollen.
Beispiel: Ein Angestellter hat bis zur Pensionierung ein obligatorisches Altersguthaben von 200 000 Franken und ein überobligatorisches von 300 000 Franken gespart. In diesem Fall garantiert ihm das Gesetz auf das Obligatorium einen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent. Das ergibt eine Monatsrente von 1133 Franken. So viel muss ihm die Pensionskasse mindestens zahlen – bei 200 000 oder 500 000 Franken Alterskapital!
Deshalb kann die BVK für das gesamte Alterskapital von 500 000 Franken einen Umrechnungssatz von 4,82 Prozent einführen. Denn damit erhält der Versicherte eine Monatsrente von 2008 Franken – also mehr als die 1133 Franken, die dem gesetzlichen Minimum für das obligatorisch versicherte Alterskapital entsprechen.
Rechnerisch bedeutet ein Umwandlungssatz von 4,82 Prozent in diesem Beispiel: Die Kasse zahlt fürs Obligatorium eine Rente auf der Basis von 6,8 Prozent, fürs Überobligatorium aber nur noch auf der Basis von 3,5 Prozent (siehe Grafik im PDF).
Sinkt der Umwandlungssatz im Obligatorium auf 6 Prozent, wie es das Parlament in der Altersreform 2020 beschlossen hat, reduziert sich die gesetzliche Garantie für ein Altersguthaben. Im konkreten Beispiel: Für ein Altersguthaben von 500 000 Franken müsste die BVK minimal nur noch monatlich 1000 Franken Rente zahlen statt wie bisher 1133.
«Versteckte Beitragserhöhungen»
Gabriela Riemer-Kafka, Professorin für Sozialversicherungsrecht an der Universität Luzern, findet den Trick mit dem Überobligatorium stossend: «Überobligatorische Beiträge sollten eine höhere Rente ermöglichen. Wenn die Pensionskassen das Überobligatorium zur Finanzierung des Obligatoriums verwenden, liegen versteckte Beitragserhöhungen vor.»
Michael Meier, Assistent am Lehrstuhl für Sozialversicherungsrecht der Uni Zürich, ergänzt: «Im Überobligatorium sind die Versicherten nicht gesetzlich geschützt.» Viele Versicherte seien sich nicht bewusst, dass sie unter Umständen das ganze Erwerbsleben lang doppelt ansparen, aber am Schluss vielleicht das Gleiche bekommen wie ein Angestellter, der nur die obligatorischen Prämien bezahlt hat. Meier: «Das ist unfair.» Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Pensionskassen die Zinsen und Umwandlungssätze bis kurz vor der Pensionierung im Überobligatorium einseitig nach Belieben abändern könnten.
Eine faire Lösung wäre ganz einfach: Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz müsste für das gesamte Altersguthaben gelten – nicht nur für das obligatorisch angesparte Alterskapital. Doch das haben die Parteien im Rahmen der Altersreform 2020 im Parlament nicht einmal diskutiert. Für den Sozialversicherungsrechtler Michael Meier ist klar: «Aus Sicht der Versicherten ist es sinnvoll, auch für das Überobligatorium Mindestvorschriften einzuführen.»
Tipps für Versicherte
Wechsel der Pensionskasse: Der Arbeitgeber bestimmt, welcher Pensionskasse sich der Betrieb anschliesst. Angestellte können dem Arbeitgeber oder der betrieblichen Vorsorgekommission aber Vorschläge unterbreiten für Pensionskassen mit besseren Leistungen. Es gibt Kassen, die das gesamte Alterskapital zum gesetzlichen Umwandlungssatz umrechnen. Beispiel: Profond.
Kapitalbezug: Wenn Sie das Pensionskassenguthaben als Kapital und nicht als Rente beziehen, kann Ihnen der Umwandlungssatz egal sein. Sie können dann selber über Ihr Altersguthaben verfügen. Allerdings sind Sie auch selbst dafür verantwortlich, das Guthaben sorgfältig anzulegen. Achtung: Viele Pensionskassen sehen im Reglement vor, dass Sie den Kapitalbezug spätestens drei Jahre vor der Rente anmelden müssen. Gegenwärtig sind im Parlament Bestrebungen im Gang, die den Bezug als Kapital einschränken wollen.
Abstimmung: Die Versicherten können verhindern, dass der Umwandlungssatz noch weiter sinkt. Wird im Herbst die «Altersreform 2020» vom Volk verworfen, sinkt der Umwandlungssatz im Obligatorium nicht von 6,8 auf 6 Prozent.