Die Krankenkassen zahlen heute den Versicherten 62 Rappen pro Blutzuckerstreifen. Das sind 18 Rappen weniger als vor vier Jahren. Beim Kauf eines Paars Kompressionsstrümpfe erhalten Patienten heute Fr. 69.75, Fr. 3.95 weniger. Für die Senkung der Beträge ist das Bundesamt für Gesundheit verantwortlich. Es legt fest, wie viel die Kassen für medizinische Hilfsmittel höchstens vergüten müssen. Das Bundesamt hat nach eigenen Angaben seit 2015 «98 Prozent» dieser Beträge überprüft – und viele reduziert. Die Kassen würden dadurch 40 Millionen Franken im Jahr einsparen.
Laut Preisüberwacher Stefan Meierhans wäre das Sparpotenzial «viel grösser» gewesen. Denn die Preise vieler Hilfsmittel seien in der Schweiz zu hoch. Der Bund habe oft nur halbherzig gekürzt. Das entlaste die Prämienzahler zu wenig. Beispiele:
Lichttherapiegeräte
Menschen mit saisonalen Depressionen reagieren oft positiv auf die Bestrahlung mit Tageslichtlampen. Die Kassen vergüten bis zu 300 Franken des Kaufpreises einer ärztlich verschriebenen Lampe. Sie entscheiden, welche Lampen sie für geeignet halten. Patienten müssen diese Geräte in kantonal «zugelassenen» Fachgeschäften kaufen. Die Lampe Beurer TL 90 zum Beispiel kostet in einem zugelassenen Fachgeschäft wie etwa dem Sanitätshaus St. Johann in Basel 298 Franken. Internethändler sind günstiger, aber nicht «zugelassen». Bei Galaxus.ch kostet das Modell TL 90 nur 125 Franken, also 173 Franken weniger. Andere Lampen, die in einem «K-Tipp»-Test die Note «gut» bekamen, sind ab knapp 94 Franken erhältlich («K-Tipp» 4/2022). Die Lampe Beurer TL 100 LED zum Beispiel kostet bei Nettoshop.ch Fr. 93.70, das Modell Lumie Soleil LED bei Nature & Découvertes 216 Franken.
Insulinpumpen
Eine programmierbare Insulinpumpe führt dem Körper laufend Insulin zu und ersetzt Spritzen oder Injektions-Pens. Diabetiker bekommen in der Schweiz für die Miete eines Geräts Fr. 3675.55 pro Jahr erstattet – inklusive Verbrauchsmaterial. Ein Kauf wäre oft vorteilhafter: Rechnet man mit deutschen Preisen von umgerechnet 3700 Franken für die Modelle «Mylife Ypsopump» oder «Accu-Chek Combo» und Kosten für Verbrauchsmaterial von 2000 Franken pro Jahr, ist die Miete nach zwei Jahren und zwei Monaten für Patienten und Prämienzahler bereits teurer. Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, in dem man Insulinpumpen nur mieten kann.
Atemtherapiegeräte
Etwa 150 000 Menschen leiden gemäss der Schweizer Lungenliga an einer Schlafapnoe. Ihr Atem setzt im Schlaf mehrmals kurz aus. Dagegen helfen sogenannte CPAP-Geräte. Die Kassen erstatten für die Miete pro Jahr 1029 Franken – inklusive Wartung und Verbrauchsmaterial. Für den Kauf des gleichen Geräts erstatten sie alle fünf Jahre 1223 Franken. Zudem vergüten sie die Erstanpassung und das Verbrauchsmaterial. Das macht pro Jahr im Durchschnitt 692 Franken. Das heisst: Ein Kauf rentiert sich für Patienten und Prämienzahler bereits nach anderthalb Jahren. Trotzdem kaufen nur wenige ein Gerät. Die kantonalen Lungenligen vermieteten im Jahr 2020 rund 14 000 CPAP-Geräte und verkauften 2500 Apparate. Rechnet man mit einem Aufwand von 200 Franken pro Gerät und Jahr, so machen sie mit der Vermietung mindestens zwei Millionen Franken Gewinn pro Jahr. Die Lungenliga nimmt dazu nicht Stellung.
Kassen zahlen nicht bei einem Kauf im Ausland
Ein Kauf im Ausland bleibt Patienten verwehrt. Im September entschied der Bundesrat zwar: Die Kassen dürfen ab 2023 die Kosten für im Ausland gekaufte Medizinprodukte vergüten, sofern der Preis tiefer ist. Das gilt aber nur für «einfache» Produkte wie Pflaster, Blutzucker-Teststreifen und Inkontinenzhilfen. Preisüberwacher Meierhans sagt: «Es gibt keine triftigen Gründe, warum Patienten nicht auch im Ausland gekaufte komplexe Hilfsmittel wie CPAP-Geräte, Orthesen oder Kompressionsstrümpfe erstattet bekommen sollen.»
Das Sparpotenzial wäre riesig
Der Bund verschenkt durch seine Vorschriften bis zu 120 Millionen Franken Sparpotenzial pro Jahr. Das zeigt folgende Rechnung: Die Schweizer Kassen geben jährlich für komplexe Hilfsmittel 310 Millionen Franken aus. Im nahen Ausland sind diese Produkte 30 bis 40 Prozent günstiger. Zum Beispiel kostet die Lichttherapielampe Lumie Soleil LED in Frankreich bei Fnac.fr 132 Franken, das sind 84 Franken weniger als in der Schweiz bei Nature & Découvertes. Der deutsche Internetladen Hood.de verkauft das CPAP-Gerät Resmed Air Sense 10 für 560 Franken – 240 Franken günstiger als der Tessiner Shop Artsource.ch.
Das zahlen IV, AHV und die Krankenkassen
Für Versicherte, die medizinische Hilfsmittel wegen einer hohen Franchise selbst zahlen, kann sich ein Kauf im Ausland lohnen. Rollatoren etwa sind in Deutschland oft nur halb so teuer wie in der Schweiz («K-Tipp» 2/2020).
IV-Bezüger können viele Hilfsmittel über die IV beziehen oder abrechnen. Zum Beispiel bekommen sie alle sechs Jahre pauschal 840 Franken für ein Hörgerät (Liste der Hilfsmittel: www.ahv-iv.ch/p/4.03.d). Entscheiden sie sich für ein günstigeres Gerät, können sie die Differenz behalten.
Wer eine Altersrente oder Ergänzungsleistungen bezieht und in der Schweiz wohnt, kann Hilfsmittel über die AHV abrechnen. Sie übernimmt zum Beispiel alle zwei Jahre 75 Prozent der Kosten ortho- pädischer Massschuhe. Alle fünf Jahre erhält man 900 Franken für einen Rollstuhl und Fr. 1237.50 für Hörgeräte. Eine Rückerstattung gibt es nur bei einem Kauf in der Schweiz – ausser bei Hörgeräten, die auf der Liste des Bundesamts für Sozialversicherungen stehen.
Ansprüche auf Hilfsmittel kann man per Formular bei der AHV/IV-Stelle des Wohnsitzkantons anmelden: Ahv-iv.ch -> Merkblätter & Formulare -> Formulare -> Leistungen der AHV -> Anmeldung: Hilfsmittel der AHV.
Die Liste der vergüteten Hilfsmittel findet man im Internet unter Ahv-iv.ch -> Merkblätter -> Leistungen der AHV -> Hilfsmittel der AHV.