Rund die Hälfte der Erwachsenen hat unter dem Rand des Zahnfleisches entzündete Stellen. Das ergab eine Langzeitstudie der Harvard-Universität (USA). Fachleute sprechen von Parodontitis. Jeder Zehnte ist schwer davon betroffen. Die Ursache ist ein Bakterienbelag, der Gewebe und Knochen angreift.
Für den Hersteller, das Institut für Angewandte Immunologie in Zuchwil SO, ist klar: Betroffene sollten einen Bakterientest machen. In der Werbebroschüre heisst es: «Fragen Sie den Zahnarzt nach dem Padotest.» Er ermittelt Art und Menge der Bakterien, die sich unter dem Zahnfleisch angesammelt haben. Das soll beim Entscheid helfen, ob und welche Antibiotika ein Arzt einsetzt. Kosten des Tests: 55 bis 180 Franken – je nachdem, wie viele Stellen im Mund man untersucht.
Etliche Zahnärzte verkaufen den Bakterientest: Medicus Dental in Zürich etwa schreibt im Internet, der Test vervollständige die Diagnose und stelle sicher, dass die Antibiotika optimal wirken würden. Auch die Zahnärztinnen Nina Giebeler aus Horw LU und Bettina Anna Neffe aus Staad SG setzen sie ein.
Antibiotika sind nur in schweren Fällen nötig
Doch den Patienten bringt das wenig. Denn der Test hilft nicht bei der Entscheidung, ob eine Therapie mit Antibiotika nötig ist oder nicht. Philipp Sahrmann, Oberarzt am Universitären Zentrum für Zahnmedizin in Basel: «Die Art der Bakterien in den Zahnfleischtaschen spielt dafür keine wesentliche Rolle.» Der Test weise nur einen Bruchteil der vorhandenen Bakterienarten nach – je nach Produkt 4 bis 12 Keime. In der Mundhöhle gibt es aber über 1000 verschiedene, die sich gegenseitig beeinflussen. Sahrmann sagt: «Wir verwenden den Keimtest üblicherweise nicht.» Auch Christoph Ramseier, Fachzahnarzt für Parodontologie an der Universität Bern, hält Bakterientests «nur selten für notwendig».
Kommt hinzu: Bei der Mehrheit der leichten Fälle braucht es gar keine Antibiotika – höchstens bei schwerer Parodontitis. Ramseier: «Sie können bei jüngeren Betroffenen mit schwerem Krankheitsverlauf sinnvoll sein.» Etwa, wenn die Taschen sehr tief sind und Betroffene bereits einzelne Zähne verloren haben. Oder wenn andere Therapien zu wenig halfen. Sahrmann: «In diesen Fällen heilen die Zahnfleischtaschen mit Antibiotika schneller aus.» Auch dann ist der Test aber unnötig: Zahnärzte verschreiben oft eine Kombination aus zwei Antibiotika, welche die meisten Bakterienarten bekämpfen.
Wichtig: Zahnzwischenräume jeden Tag reinigen
Wichtiger als Antibiotika ist eine gute Mundhygiene: Patienten sollten Zähne und Zahnzwischenräume jeden Tag sorgfältig reinigen und regelmässig zur Dentalhygiene, um Beläge und Zahnstein zu entfernen. Wenn die Taschen zwischen Zahn und Zahnfleisch mehrere Millimeter tief sind, sollte man sie bei der Dentalhygienikerin oder dem Zahnarzt reinigen lassen. Meistens geschieht das mit lokaler Betäubung. Erst wenn der Belag in den Taschen weg ist, kann die Entzündung heilen.
Eine Operation ist nur in sehr schweren Fällen nötig. Dann schneidet der Chirurg das Zahnfleisch auf, um Beläge an der Zahnwurzel zu entfernen. Manchmal glättet er auch den Knochen oder setzt Mittel ein, um das geschädigte Gewebe zu regenerieren. Von Therapien mit Laserlicht raten Experten ab.
Ramseier empfiehlt Patienten, möglichst nicht zu rauchen und nur wenig Zucker zu konsumieren. Das reduziere die Entzündung und damit das Risiko für Parodontitis.
Der Hersteller des Padotests räumt ein, dass nicht einzelne Bakterien Parodontitis verursachen. Der Test diene «zur Absicherung», ob Antibiotika sinnvoll seien. Der Schweregrad der Krankheit reiche dafür nicht aus. Zudem würde in vielen Fällen ein einziges Antibiotikum genügen. Das lasse sich mit dem Test ermitteln. Zahnärztin Nina Giebeler schreibt, sie verwende den Test nur noch selten, etwa wenn sich nicht erklären lasse, warum ein Patient trotz guter Mundhygiene immer wieder Probleme mit dem Zahnfleisch habe.