Ständig müde, verspannter Nacken, Probleme mit der Konzentration: Dahinter könne eine chronische Borreliose-Krankheit stecken, schreibt der Hausarzt Claudio Lorenzet aus Bergdietikon AG auf seiner Internetseite. Er warnt: Eine von zehn Personen, die sich mit der Zeckenkrankheit infiziert, werde «dauerhaft krank». Auch die Naturheilkundlerin Gabriela Molero Fetz aus Glattbrugg ZH meint, die chronische Borreliose werde von Ärzten unterschätzt. Die Alpstein Clinic in Gais AR schreibt auf ihrer Website, man diagnostiziere «oft» die chronisch verlaufende Borreliose. Und die Paracelsus Klinik in Lustmühle AR beschreibt die Krankheit sogar als «Epidemie in der westlichen Welt».
Fachleute kritisieren solche Aussagen. Sie sind sich einig: Die chronische Borreliose ist eine äusserst seltene Krankheit. Sebastian Rauer von der Uniklinik Freiburg (D) sagt: «Die Fälle, von denen immer wieder berichtet wird, sind zum erheblichen Teil auf Fehldiagnosen zurückzuführen.» In zwanzig Jahren, in denen er fast täglich mit angeblichen Borreliose-Patienten zu tun gehabt habe, sei er nur auf zehn echte Fälle mit einer späten Form der Borreliose gestossen, sagt der Neurologe.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (USA). Die Forscher werteten die Daten von knapp 1300 Personen aus, die zwischen 2000 und 2013 mit Verdacht auf Lyme-Borreliose untersucht worden waren. Resultat: Bei 84 Prozent der Patienten war keine Borreliose nachweisbar. Stattdessen steckten hinter den Beschwerden andere Krankheiten wie eine Depression, die Schmerzkrankheit Fibromyalgie oder das Syndrom einer chronischen Müdigkeit. Die Forscher warnen deshalb vor einer vorschnellen Diagnose der chronischen Borreliose. Sie führe zu einem unnötigen Einsatz von Antibiotika. Zudem verzögere sich die Therapie der Krankheit. Die Studie wurde in der Zeitschrift «The American Journal of Medicine» veröffentlicht.
Umstrittener Test zur Diagnose der Krankheit
Kommt hinzu: Ärzte stellen die chronische Borreliose teilweise mit einem umstrittenen Test fest. Der sogenannte Lymphozyten-Transformationstest soll angeblich zeigen, ob Borrelien im Körper aktiv sind. Sowohl Claudio Lorenzet als auch die Alpstein Clinic wenden ihn an. Doch Fachgesellschaften halten die Methode für nicht aussagekräftig. Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borrelien am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (D) sagt: «Bis heute liegen keine ausreichenden Studien vor, die belegen, dass sich der Test zum Nachweis einer Borreliose eignet.» Besser sind ein Antikörpernachweis sowie die Untersuchung des Nervenwassers. Der Arzt entnimmt eine Probe davon aus dem Rückenmarkskanal.
Die meisten Borreliosen liessen sich «ohne grosse Probleme» erkennen und mit Antibiotika behandeln, sagt der Zürcher Hausarzt Thomas Walser. Ein typisches Anzeichen ist eine kreisrunde Rötung der Haut an der Einstichstelle, die bei 90 Prozent aller akuten Borreliosen auftritt. Bemerkt man eine solche Rötung, sollte man sofort zum Hausarzt gehen.
Zecke möglichst schnell entfernen
Vor einer Infektion schützt man sich auch, indem man eine Zecke innerhalb von zwölf Stunden nach dem Stich entfernt. Erst nach dieser Frist übertragen die Tiere die Borreliose-Erreger.
In diesen Fällen ist eine Impfung sinnvoll
Es gibt eine Impfung gegen FSME-Viren, die ebenfalls von Zecken verbreitet werden. Diese Erreger können eine Hirnhautentzündung auslösen. Eine FSME-Impfung ist empfehlenswert für Personen, die beruflich oft in der Natur unterwegs sind, sowie für Senioren, bei denen ein Risiko für schwere Krankheitsverläufe besteht (siehe unten).
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