Ombudsstellen: Abwimmler im Dienst der Unternehmen
Weil Gerichtsverfahren aufwendig und teuer sind, wenden sich viele Konsumenten an eine kostenlose Ombudsstelle. Doch das bringt ihnen wenig. Diese Stellen dienen vor allem den Interessen der involvierten Branchen.
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saldo 03/2013
20.02.2013
Beatrice Walder
Die Geschichte von Nadine Held (Name geändert) aus Pfäffikon SZ steht stellvertretend für Tausende andere ähnliche Fälle. Die junge Frau heiratete am 15. September 2012 – in einem Traum in Weiss. Das Brautkleid hatte sie sich 2500 Franken kosten lassen. «Ich wollte es später wieder verkaufen», sagt Held. Deshalb liess sie die Robe nach der Hochzeit in der Wäscherei Terlinden in Pfäffikon reinigen. Held musste vorher eine Vorbehal...
Die Geschichte von Nadine Held (Name geändert) aus Pfäffikon SZ steht stellvertretend für Tausende andere ähnliche Fälle. Die junge Frau heiratete am 15. September 2012 – in einem Traum in Weiss. Das Brautkleid hatte sie sich 2500 Franken kosten lassen. «Ich wollte es später wieder verkaufen», sagt Held. Deshalb liess sie die Robe nach der Hochzeit in der Wäscherei Terlinden in Pfäffikon reinigen. Held musste vorher eine Vorbehaltserklärung unterschreiben. «Man sagte mir, dass trotz sorgfältiger Reinigung etwas passieren kann.» Sie unterschrieb und zahlte die verlangten 172 Franken im Voraus.
Als Held das Kleid abholte, war sie schockiert: «Die Spitzen hatten sich aufgehellt, der Rest des Kleides erschien plötzlich schmutzig gelb.» Terlinden habe ihr zu einer erneuten Reinigung geraten, was aber nichts gebracht habe. Folge: Nadine Held konnte ihr teures Kleid nicht mehr verkaufen. Terlinden stellte sich jedoch auf den Standpunkt, das Kleid fachmännisch gereinigt zu haben, und wies jede Verantwortung von sich. Mit der Vorbehaltserklärung habe Held zudem auf jegliche Haftung von Terlinden verzichtet.
Ombudsstellen: Mitarbeiter sind in der Regel keine Juristen
Nadine Held wandte sich auf Rat von Terlinden an die Schlichtungsstelle der Textilreiniger, die Paritätische Schadenerledigungsstelle. Auch diese stellte fest, der Textilreiniger habe «das Brautkleid unsachgemäss behandelt». Er hafte dafür aber nicht – wegen der von Held unterschriebenen Vorbehaltserklärung. «Aus Kulanz» bot Terlinden der Kundin 300 Franken als Entschädigung an.
Rechtlich ist der Entscheid der Schadenerledigungsstelle nicht haltbar. Stephan Heiniger, Leiter der saldo-Rechtsberatung, sagt: «Die Haftung wurde für Aufhellungen nicht ausgeschlossen.» Damit konfrontiert, will die Ombudsstelle den Beschluss im April nochmals besprechen. Bis dahin gebe sie keine Stellungnahme ab.
Was Laien oft nicht bewusst ist: Ombudsstellen entscheiden in der Regel nicht nach rechtlichen Kriterien. Sie sind meist auch nicht mit Juristen oder Juristinnen besetzt. Ziel ist die Streiterledigung – nicht der Schutz der Konsumentenrechte.
Deshalb hat der Gang zur Ombudsstelle Nadine Held bisher ausser Spesen nichts gebracht. Sie ist kein Einzelfall. Dass es Konsumenten oft so geht, hat der Zürcher Professor für Zivilprozessrecht Isaak Meier in einer kürzlich erschienenen Rechtsstudie festgestellt. Sein Fazit: Nur «in einer relativ kleinen Anzahl der Fälle kommt die Ombudsstelle zum Schluss, dass die Beanstandung des Konsumenten unter Umständen gerechtfertigt sein könnte». Aber nur dann interveniert die Stelle beim betroffenen Unternehmen, verlangt eine Stellungnahme und macht schliesslich einen Lösungsvorschlag.
Die Ombudsstellen seien zwar für den Konsumentenschutz konzipiert worden. Aber: «Die Anbieter- und Branchenverbände verfolgen in hohem Masse ihre eigenen Interessen», sagt Meier. Zudem werden die Ombudsstellen von den Branchen selbst finanziert (siehe Kasten). Laut Meier trägt das jetzige Ombudssystem den Interessen der Konsumenten nicht genügend Rechnung.
Konsumenten häufig zu schnell mit einem Kompromiss zufrieden
Die Bilanz ist für die Konsumenten tatsächlich ernüchternd: So schritt die Ombudsstelle für Privatversicherungen 2011 zum Beispiel nur bei 375 von 3324 Anfragen ein (11 Prozent), der Bankenombudsman in 291 von 1889 Fällen (15 Prozent).
Kommt hinzu: Da der Lösungsvorschlag für das Unternehmen nicht bindend ist, sind die Ombudsstellen auf deren Entgegenkommen angewiesen. Meier nennt dazu konkrete Zahlen: Bei den Versicherungen nahmen im Jahr 2011 die Gesellschaften nur in 71 Prozent der Fälle den Lösungsvorschlag an, bei den Banken waren es gar nur 32 Prozent.
Und auch dort, wo die Unternehmen den Kunden entgegenkommen, sieht Meier Handlungsbedarf: «Auch in diesen Fällen steht nämlich nicht fest, dass die Konsumenten so viel erhalten, wie ihnen rechtlich gesehen zustehen würde.» Hier liegt laut Meier ein Hauptproblem der jetzigen Ombudsstellen: Ihr Erfolg hänge von der Kooperationsbereitschaft der Firmen ab. Deshalb bestehe die Gefahr, dass die Ombudsperson an die untere Grenze des rechtlich Möglichen gehe. Das werde noch dadurch verstärkt, dass die Ombudsstellen mit den Unternehmen immer wieder über ähnliche Probleme verhandeln. Die Ombudsperson kenne die Ansicht des Unternehmens und laufe Gefahr, sich damit zufriedenzugeben. Der Konsument stimme mangels Kenntnis der Rechtslage einem als vernünftig erscheinenden Kompromiss hingegen normalerweise zu.
Branchenkritischer Ombudsman: Wunsch, aber nicht Realität
Meier kritisiert zudem die Abhängigkeit der Ombudsperson von der jeweiligen Branche. Ombudsstellen sind zwar als rechtlich unabhängige Stiftungen konzipiert – die Stiftungsräte stammen jedoch in der Regel aus den jeweiligen Branchenverbänden. Und diese bestimmen den Ombudsman. Meier: «Es ist kaum vorstellbar, dass etwa ein Bankenombudsman gewählt würde, der eine kritische Distanz zur Bankenbranche hat und von dem bekannt ist, dass er die Anliegen der Konsumenten in besonderem Masse vertritt.» Genau das sei aber für ein Ombudsverfahren eine unabdingbare Voraussetzung.
Die wichtigsten Ombudsstellen und wer sie finanziert
Banken
Zuständig: Hanspeter Häni
Finanzierung: Die Stiftung Schweizerischer Bankenombudsman wird grössenteils durch die Bankiervereinigung finanziert. Zudem muss die jeweils beanstandete Bank einen gewissen Betrag je nach Aufwand für die Fallerledigung zahlen.
www.bankingombudsman.ch
Krankenversicherungen
Zuständig: Rudolf Luginbühl
Finanzierung: Die Stiftung Ombudsman Krankenversicherung erhält ihre Gelder von Santésuisse, dem Branchenverband der schweizerischen Krankenversicherer.
https://secure.om-kv.ch.
Telekomunternehmen
Zuständig: Oliver Sidler
Finanzierung: Die Ombudsstelle wird durch Verfahrensgebühren der Telekomunternehmen finanziert. Je nach Fall sind das zwischen 200 und 3000 Franken. Die Ombudsstelle dürfte von den Konsumenten 20 Franken verlangen, verzichtet aber bis auf weiteres darauf.
www.ombudscom.ch
Versicherungen und Suva
Zuständig: Martin Lorenzon
Finanzierung: Die Stiftung Ombudsman der Privatversicherung und der Suva erhält Zuwendungen von den aktuell etwa 80 angeschlossenen Versicherungsgesellschaften.
www.versicherungsombudsman.ch
Reisebranche
Zuständig: Beat F. Dannenberger
Finanzierung: Die Ombudsstelle wird durch die Stiftung gesetzlicher Garantiefonds der Schweizer Reisebranche finanziert, zu der sich 564 Reisebüros zusammengeschlossen haben.
www.ombudsman-touristik.ch
Textilbranche
Zuständig: Paritätische Schadenerledigungsstelle. Betrieben von den Verbänden Textilpflege Schweiz und Swiss Fashion Stores sowie den Konsumentenschutzorganisationen Fédération Romande des consommateurs FRC, Associazione consumatrici e consumatori della Svizzera italiana Acsi und Konsumentenforum.
Finanzierung: Dazu gab die Schadenerledigungsstelle bis Redaktionsschluss keine Auskunft. Konsumenten müssen vorab 100 Franken zahlen, die sie im Erfolgsfall vom Textilpfleger zurückerhalten.
www.textilpflege.ch/verband/schadenfaelle.html