Der damalige Walliser Regierungspräsident Jean-Michel Cina (CVP) sagte im Februar 2015: «Unsere Finanzsituation ist besorgniserregend.» Die Kantonsausgaben müssten «prioritär» gesenkt werden. «Die Einsparungen betreffen alle.» Drei Monate zuvor hatte das Walliser Stimmvolk bereits einem Sparpaket von jährlich 40 Millionen Franken zugestimmt. Doch das reichte offenbar noch nicht.
Heute, drei Jahre später, ist alles anders. Am 10. Juni stimmt der Kanton Wallis über die Kandidatur von «Sion 2026» für die Olympischen Winterspiele ab. Die Regierung will dafür 100 Millionen Franken lockermachen. Bei einem Ja möchte der Bundesrat die Spiele mit rund einer Milliarde Franken unterstützen. National- und Ständerat werden im September und Dezember darüber befinden.
Der Kanton Wallis erhält als armer Kanton aus dem kantonalen Finanzausgleich dieses Jahr fast 700 Millionen Franken. Das sind 32 Millionen mehr als im Vorjahr. Noch mehr Geld erhält nur der Kanton Bern: 1,2 Milliarden Franken.
Tausende erhalten keine Prämienverbilligung mehr
Martin Dremelj, Sekretär des Oberwalliser Gewerkschaftsbunds, versteht die Olympia-Euphorie seiner Regierung nicht: «In dieser Situation 100 Millionen Franken für die olympischen Winterspiele bereitzustellen, ist für mich widersprüchlich.» Angesichts des Sozialabbaus im Wallis frage er sich auch, woher der Kanton das Geld nehmen wolle. Das Geld komme aus dem jährlichen Betriebs- und Investitionsbudget, sagt Regierungspräsidentin Esther Waeber-Kalbermatten von der SP. «Es wird nicht auf einmal ausgegeben, sondern bis 2026 auf mehrere Jahre verteilt.»
Mit dem Sozialabbau meint Dremelj zum Beispiel den Abbau von Verbilligungen von Krankenkassenprämien in den vergangenen Jahren: 2013 stellte der Kanton Wallis dafür noch 111 Millionen Franken zur Verfügung. Laut Budget 2018 werden es dieses Jahr nur noch 69,7 Millionen Franken sein – ein Minus von 41,3 Millionen Franken. Konkret: Noch 70 000 Menschen erhalten dieses Jahr eine Prämienverbilligung. 2013 waren es über 92 000. Und das bei stets steigenden Prämien.
Beispiel Sozialhilfe: Seit 2016 gelten im Wallis niedrigere Tarife. Besonders betroffen sind davon die 18- bis 25-Jährigen. Deren Grundbedarf wurde um fast 50 Prozent auf 500 Franken im Monat gekürzt. Im Budget 2018 geht der Kanton Wallis davon aus, dass die Ausgaben für die Sozialhilfe um 4,9 Millionen Franken gesenkt werden.
Beispiel Berufsbildung: Zwischen 2013 und 2017 reduzierten sich die kantonalen Ausgaben von 13,7 auf 11,8 Millionen Franken. Im gleichen Zeitraum wurden im Wallis die Ausgaben für Stipendien von 19,7 auf 18 Millionen Franken gesenkt.
Auch auf Bundesebene werden immer mehr Sozialleistungen gekürzt. Im Juni kommt die Revision des Gesetzes über die Ergänzungsleistungen nochmals in den Ständerat. Der Nationalrat will bei den Rentnern rund 660 Millionen Franken kürzen.
Für Gewerkschafter Dremelj ist deshalb klar: «Sion 2026 findet auf Kosten der sozial Schwachen statt.» Ausser die Walliser durchkreuzen am 10. Juni die Pläne der Regierung.