Der Bundesrat ruft zum Stromsparen auf. Die Supermärkte, die Grossverbraucher sind, nimmt er nicht in die Pflicht. Dabei kennen die Detailhändler ihre Stromfresser genau.
Bereits 2010 schrieb die Migros in einer Pressemitteilung: «Kühlmöbel sind die grössten Stromverbraucher in Filialen. Sie machen bis zu 70 Prozent des Energieverbrauchs aus.» Und: «Mit Glastüren lassen sich zwischen 20 und 50 Prozent Energie einsparen.»
Heute, zwölf Jahre später, ergab eine Stichprobe von saldo in 20 Supermärkten in Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich: In praktisch allen besuchten Aldi-, Coop-, Denner-, Lidl- und Migros-Filialen stehen Milch, Joghurt, Fertigprodukte und gekühlte Getränke noch immer in offenen Kühlregalen und Kühlboxen. Und in 16 der 20 Läden werden auch Fleischerzeugnisse wie Salami und Aufschnitt offen angeboten.
Regalwände beheizt, um Eisbildung zu verhindern
Die Grossverteiler bieten besonders in Läden in Bahnhofsnähe fast alle gekühlten Lebensmittel in offenen Kühlgeräten an – mit Ausnahme von tiefgefrorenen Lebensmitteln. Besonders erstaunlich: Dies gilt auch für Supermärkte, die kürzlich umgebaut wurden. So findet man zum Beispiel in der 2021 erneuerten Migros-Filiale im Zürcher Hauptbahnhof Milch-, Fleischprodukte und Getränke in meterlangen offenen Kühlregalen.
Doch offene Kühlgeräte verbrauchen viel mehr Energie als Kühler mit Glastüren. Nebst der Kälte, die ständig entweicht, müssen die Wände der offenen Kühler sogar mit Heizspiralen aufgewärmt werden, damit sich kein Eis bildet: Die Kühler verbrauchen also gleichzeitig Energie fürs Kühlen und Wärmen, was den Energieverbrauch zusätzlich anheizt.
Das alles wirkt sich deutlich auf den Stromverbrauch der Schweiz aus. Das Bundesamt für Energie berechnete, dass Kühlgeräte in Schweizer Läden 600 Gigawattstunden Strom pro Jahr verbrauchen. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von 200 000 Haushalten. Ein Viertel davon liesse sich einsparen, wenn die Supermärkte ihre Kühlgeräte schliessen würden, schätzt Eric Bush von der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch der gut 50 000 Haushalte der Stadt Biel.
Kühlregale als Klimaanlagen eingesetzt
Die Grossverteiler begründen unterschiedlich, warum sie bei der Umrüstung auf sparsamere Kühlgeräte nicht vorwärtsmachen. Coop schreibt saldo: «Werden mehr Kühlmöbel geschlossen, muss dies ab einem bestimmten Punkt mit Klimaanlagen ausgeglichen werden.»
Mit anderen Worten: Während der heissen Jahreszeit kühlen offene Kühlregale offenbar gleich auch noch die Geschäfte. Das bedeutet gleichzeitig: Im Winter muss die ausströmende Kälte durch zusätzliches Heizen kompensiert werden. Versuchsweise seien in drei Filialen in Basel und Altdorf UR sämtliche offenen Kühlregale geschlossen worden, schreibt Coop.
Auch Aldi verspricht, noch diesen Herbst 4 seiner über 200 Filialen mit geschlossenen Kühlgeräten auszurüsten. Lidl schreibt saldo, die Energieeinsparung bei geschlossenen Küh-lern hänge von der Frequenz ab, wie oft Türen geöffnet würden. Denner schliesst nicht alle Kühlregale, um «den Filialmitarbeitern den Arbeitsprozess zu erleichtern». Und die Migros erklärt, die Umstellung auf geschlossene Kühlregale sei im Gange. In wie vielen Migros-Filialen bereits sämtliche Kühlregale mit einer Türe versehen sind, sagt der Grossverteiler aber nicht.
Fazit: Im kommenden Winter und wohl auch darüber hinaus werden die unnötigen Energieverluste in Supermärkten weiterhin gross sein. Schon wesentlich weiter ist die deutsche Supermarktkette Rewe: Bereits vor mehreren Jahren hat Rewe ihre Filialen standardmässig und flächendeckend mit geschlossenen Kühlregalen ausgerüstet. Umsatzeinbussen hat die Supermarktkette laut eigenen Angaben nicht festgestellt.
Weniger Weihnachtsbeleuchtung: Nur kleiner Spareffekt
Die Schweizer Grossverteiler wollen im Hinblick auf eine mögliche Energieknappheit im kommenden Winter bei der Weihnachtsbeleuchtung sparen, wie Migros, Coop und Lidl bekannt gaben. Der Spareffekt dieser Massnahme beträgt allerdings nur rund 10 Prozent der Energie, die durch den Ersatz von offenen durch geschlossene Kühlregale erzielt werden könnte.