Sie ist eine der schönsten Bahnstrecken überhaupt: Chiasso–Airolo. Sie führt über den Lago di Lugano, kurz durch die Magadinoebene und später dem Ticino entlang. Am schnellsten gehts mit dem Regio-Express. Er braucht für die 110 Kilometer 1 Stunde und 49 Minuten. Das Einzelbillett kostet Fr. 13.90, das Streckenabo 1845 Franken im Jahr. Zum Vergleich ein Blick in den Norden:
Zürich HB–Brugg AG: Die Fahrt dauert 24 Minuten. Das Einzelbillett kostet Fr. 9.50, das Streckenabo jedoch 2696 Franken im Jahr – obwohl die Fahrt weniger als ein Viertel so lange dauert wie die Tessiner Bahnfahrt, ist das Streckenabo also 851 Franken teurer.
Zürich HB–Baden AG: Die Fahrt dauert nur 15 Minuten und sie ist 80 Kilometer kürzer als die Strecke Chiasso–Airolo. Pendler zahlen für das Streckenabo aber 2116 Franken.
Eigentlich wären Zürich–Brugg oder Zürich–Baden ideale SBB-Pendlerstrecken. Im Grossraum Baregg standen im Jahr 2014 die Autofahrer 347 Stunden im Stau – der dritthöchste Wert für «Stauschwerpunkte» in der Schweiz. Das besagen Zahlen des Bundesamtes für Strassen. Doch wenn das Streckenabo Zürich–Brugg fast 70 Prozent so viel kostet wie ein Generalabonnement (GA) für die ganze Schweiz (3860 Franken), ist der Anreiz gering, mit dem Zug zu pendeln.
Auch über andere Preise kann man als Bahnkunde nur den Kopf schütteln:
Wer von Bern nach Luzern pendelt, zahlt für das Streckenabo 3447 Franken. Das Streckenabo Bern–Zürich hingegen kostet exakt 999 Franken mehr. Pendler von Zürich nach Basel kostet das Streckenabo 3366 Franken.
Die viel kürzere Strecke Aarau–Zürich kostet mit Jahresabo 3156 Franken – nur 200 Franken weniger als Zürich–Basel.
Das Streckenabonnement Bern–Zürich kostet 4464 Franken – das sind 604 Franken mehr als ein Generalabo. Immerhin: Wer ein solches Streckenabo besitzt, kann sich gemäss Roger Baumann vom Verband öffentlicher Verkehr die Differenz bar auszahlen lassen.
SBB berechnen mehr als die eigentlichen Fahrkilometer
Wie erklären sich diese riesigen Unterschiede bei den Streckentarifen? Warum kostet Zürich–Bern so viel mehr als Bern–Luzern? Die Antwort heisst «Distanzzuschlag». Die SBB «verlängern» vielbenutzte Strecken. Das heisst, sie berechnen weit mehr Fahrkilometer, als die Passagiere effektiv zurücklegen. Das macht die Tickets teurer.
Solche Distanzzuschläge gibt es zum Beispiel auf folgenden Strecken: Zürich HB–Winterthur, Bern–Thun, Zug–Baar–Zürich, Bern–Olten, Aarau–Zürich und Olten–Basel.
Diese Tarife mit Distanzzuschlag dienen gemäss Personenbeförderungsgesetz «der Erzielung angemessener Erträge». Angemessen? Vielleicht für die SBB, nicht aber für Bahnkunden.