Monate nach ihrer Covid-Erkrankung fühlte sich Stefanie Klaiber aus Arisdorf BL noch immer nicht gesund. Sie konnte nicht mehr riechen und schmecken. Zudem fühlte sie sich müde und schlief schlecht. Schliesslich entschied sie sich im letzten April für eine vierwöchige Kur in der Hochgebirgsklinik Davos GR. Die Klinik verspricht auf ihrer Internetseite «ein umfassendes Behandlungsspektrum», das eine «ideale Voraussetzung für die Genesung» biete.
Die 27-Jährige machte in Davos Atemübungen, fuhr Velo, stemmte Gewichte und machte Pilates- und Gymnastikübungen. Doch das Programm schlug nicht an. Im Gegenteil: «Trotz der Therapie geht es mir nicht besser. Es sind sogar noch Schwindel und Gleichgewichtsprobleme dazugekommen», sagt Klaiber.
Andere Kliniken bieten ähnliche Kuren an. Die Klinik Barmelweid in Erlinsbach SO etwa spricht von «einem abgestimmten Therapiekonzept» zur «Long-Covid-Behandlung»: Patienten bekommen Physio-, Psycho- sowie Kreativtherapien oder machen Entspannungs- und Atemübungen.
Die Reha Rheinfelden in Rheinfelden AG verspricht Long-Covid-Patienten, sie würden dank der angebotenen Kur ihre mentale und körperliche Leistungsfähigkeit wiedererlangen. Das Programm sieht unter anderem Ergotherapie, Entspannungsübungen sowie Sport vor. Preis einer solchen Therapie: Zwischen 600 und 700 Franken pro Tag.
Chronische Erschöpfung auch nach Grippeerkrankung möglich
Solche Angebote sind umstritten. Unklar ist ausserdem, ob Long Covid überhaupt eine neue Krankheit ist. Der englische Begriff tauchte erstmals im Mai 2020 im Kurznachrichtendienst Twitter auf. Das deutsche Bundesinnenministerium warnte bereits im März 2020 vor Langzeitwirkungen einer Infektion. Es liess ein Strategiepapier ausarbeiten, um bei der Bevölkerung «eine Schockwirkung zu erzielen» und so zur Einhaltung der Massnahmen zu motivieren.
Gesicherte Erkenntnisse über Covid-Langzeitfolgen sind allerdings schwierig zu ermitteln. Die Symptome von Long Covid ähneln denen des chronischen Erschöpfungssyndroms. Dabei sind Patienten nach kleinsten körperlichen Anstrengungen komplett erschöpft.
Nicht nur Coronaviren können das chronische Erschöpfungssyndrom auslösen, sondern auch verschiedene andere Erreger. Das fanden Forscher der kanadischen University of Calgary 2020 heraus. Sie sichteten 540 Studien mit 114 000 an Grippe erkrankten Personen. Dabei stellten sie fest, dass das chronische Erschöpfungssyndrom neben Fieber, Husten und laufender Nase eines der häufigsten Symptome der Grippe war. Die Ergebnisse publizierten sie im Fachmagazin «Reviews in Medical Virology». Wissenschafter vermuten eine Überreaktion des Körpers.
Einzig das Lungentraining hat einen gewissen Nutzen
Daneben bezweifeln Fachleute auch, dass die angepriesenen Therapien wie zum Beispiel Psychotherapie oder Kreativtherapien bei den Langzeitfolgen einer Covid-Krankheit helfen. Die Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie kam kürzlich zum Schluss: «Der Nutzen solcher Therapieangebote ist nicht belegt.» Erste Hinweise für einen Nutzen gebe es nur für das Lungentraining, schreiben die deutschen und die österreichischen Lungen-Fachgesellschaften.
Es gebe bislang keine Therapie gegen die Langzeitfolgen von Corona, schreibt Corinne Chmiel, leitende Ärztin der Medix-Gruppenpraxis Friesenberg in Zürich, in einer Richtlinie des Medix-Ärztenetzwerks. Die meisten Betroffenen würden sich ohne Therapie erholen. Die Patienten bräuchten vor allem viel Ruhe. Schwerwiegende Komplikationen seien sehr selten. Deshalb sollten Ärzte die Symptome zurückhaltend behandeln «und keine überflüssigen medizinischen Untersuchungen machen».
Die Klinik Barmelweid schreibt saldo, sie habe langjährige Erfahrung in der Rehabilitation – auch von Lungenkranken. Sie setze bewährte Therapien ein und probiere diese «in einem gewissen Rahmen» weiter aus. Fachleute würden die Resultate überprüfen und daraus neue Empfehlungen für die Behandlung ableiten.
Die Höhenklinik Davos räumt ein, dass Stefanie Klaiber «nur leicht» von der Reha-Kur profitiert habe. Während der Kur habe die Patientin aber ihre Leistungsfähigkeit «leicht gesteigert». Eine Studie habe gezeigt, dass eine Covid-Rehabilitation die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität von Patienten verbessern könne, schreibt die Höhenklinik weiter. Die Studie enthält allerdings keine Vergleiche mit Patienten, die keine Kur absolviert hatten.
Erschöpft nach Corona: Diese Massnahmen helfen
Wer an Spätfolgen von Infektionskrankheiten wie Corona oder Grippe leidet, sollte diese Punkte beachten:
- Igeln Sie sich nicht ein, erzählen Sie anderen Menschen, wie es Ihnen geht.
- Verteilen Sie leichte Arbeiten auf den ganzen Tag, machen Sie immer wieder Pausen.
- Bitten Sie Nachbarn, Familienangehörige und Freunde, Ihnen bei Hausarbeiten oder beim Einkaufen zu helfen.
- Beobachten Sie sich: Notieren Sie, was Ihnen gut tut und was nicht.
- Versuchen Sie, aktiv zu bleiben, und gehen Sie jeden Tag an die frische Luft.