Ein Notbremssystem sollte Auffahrunfälle und Zusammenstösse mit Fussgängern oder Velofahrern verhindern. In brenzligen Fällen warnt es den Fahrer akustisch oder löst automatisch eine Notbremsung aus. Volvo, Ford oder Audi bauen Systeme wie City Brake oder ACC serienmässig in viele ihrer Modelle ein. ACC kontrolliert auch den Abstand zum vorausfahrenden Auto.
Laut Unfallanalytiker Hans Bäumler, Professor an der Hochschule München, können sich Fahrer aber nicht auf die Systeme verlassen. Bäumler und der Ingenieur Martin Zwick testeten die Notbremssysteme in einem Volvo V40 2 l D, einem VW Up 1 l, einem VW Golf VII mit Jahrgang 2014 sowie in einem Audi SQ5 und einem Ford Kuga mit Jahrgang 2013. Mit einer von Ford entwickelten Attrappe simulierten sie stehende Hindernisse.
Ergebnis laut Bericht in der deutschen Fachzeitschrift «Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik»: Die Notbremssysteme aller getesteten Wagen erkannten ab Tempo 35 die Hindernisse nicht mehr. Für Bäumler steht fest, dass «die Technik an ihre physikalischen Grenzen stösst». City Brake funktioniert mit einem Licht- und Abstandsradar. Das System braucht etwa eine Sekunde, um ein Objekt auf der Fahrbahn zu erkennen und den Bremsvorgang einzuleiten. In dieser Sekunde rollt ein Auto mit 35 km/h rund 10 Meter weiter. Hinzu kommt der Bremsweg von 4,70 Metern. Mit anderen Worten: Das Auto kollidiert mit einem Hindernis, wenn es weniger als 15 Meter weit weg ist. Fährt das Auto 50 km/h, sind es schon 24 Meter – unter optimalen Bedingungen. Ist die Fahrbahn nass oder sind die Reifen abgenutzt, braucht das Auto länger, bis es steht.
«Die Technik ist noch nicht so weit»
Letztes Jahr zeigten ADAC-Tests, dass Bremsassistenten etwa von Kia, Volvo oder BMW nachts nicht korrekt funktionieren («K-Tipp» 14/2016). Für Uwe Ewert, Unfallexperte bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung in Bern, kommen die Ergebnisse nicht unerwartet: Die Technik sei noch nicht so weit. Studien würden aber belegen, dass Notbremssysteme bei tieferem Tempo Unfälle vermeiden helfen oder ihre Schwere verringern.
Sascha Heiniger, Sprecher von Volvo Schweiz, bezweifelt die Korrektheit von Bäumlers Messverfahren. Volvos hätten bei Tests von Euro-NCAP bei Fussgängerschutz und Unfallvermeidung Topresultate erzielt. Laut Dino Graf von der Amag funktioniert das Notbremssystem City Break in VWs nur bis zu 30 km/h und das ACC nur bei höheren Fahrgeschwindigkeiten. Laut Bordbuch reagiere es nicht auf «stehende Hindernisse». Amag importiert Audis und VWs. Kaspar Haffner von Ford Schweiz schreibt, dass «der Ford Kuga, der für den Test verwendet wurde, nicht mehr verkauft» werde.