Seit einigen Jahren gibt es eine neue Klasse von Medikamenten gegen Migräne. Sie enthalten Antikörper gegen den Botenstoff CGRP im Gehirn, der beim Entstehen von Migräneattacken eine Rolle spielt. Drei solcher Antikörpermedikamente sind auf dem Markt: Ajovy, Emgality und Aimovig (saldo 14/2018).
Nun hat auch die Pharmafirma Lundbeck ein neues Medikament lanciert: Vyepti. Ärzte geben es ihren Patienten per Infusion alle zwölf Wochen. Die Behandlung soll die Anzahl Kopfwehtage angeblich deutlich reduzieren.
Der Preis ist sehr hoch: Vyepti kostet mindestens 6000 Franken pro Jahr. Bewährte Migränemedikamente wie Betablocker und Epilepsiemittel kosten mit 200 bis 300 Franken einen Bruchteil davon.
Kaum wirksamer als Scheinmedikamente
Gemäss Fachleuten konnte Lundbeck diesen horrenden Preis für Vyepti bislang nicht rechtfertigen. Studien würden zwar zeigen, dass Patienten pro Monat im Durchschnitt knapp vier Tage weniger Migräne hatten als vor der Behandlung. Doch auch bei Patienten, die nur Placebos ohne Wirkstoff erhielten, waren es immerhin drei Tage weniger.
Bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Migräne konnte Vyepti die Schmerzattacken um rund acht Tage reduzieren. Ein Scheinmedikament war fast gleich gut und verkürzte die Migräneattacken um knapp sechs Tage.
Unklar ist zudem, ob Vyepti der einzige Grund für diesen kleinen Vorteil ist. In anderen Studien nahm jeder zweite Patient daneben noch andere Medikamente, die eine Migräne verhindern sollten.
Ein weiteres Manko der Studien: Es wurde nur die Wirkung von Vyepti mit der eines Placebos verglichen – nicht aber mit der Wirkung bewährter Mittel. In allen Untersuchungen nicht berücksichtigt wurden die Produkte Aimovig, Ajovy oder Emgality.
Entzündungen, Schocks und Herzgefässverengungen
Das Urteil von Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Herausgeber des unabhängigen deutschen Fachblatts «Arznei-Telegramm», fällt ernüchternd aus: Die Wirkung von Vyepti sei, «soweit beurteilbar», nicht besser als die von günstigeren, bewährten Mitteln, die man sich nicht beim Arzt per Infusion geben lassen müsse.
Und das Medikament berge auch Risiken: Häufig komme es zum Beispiel zu Entzündungen im Nasen- und Rachenbereich sowie zu Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zu behandlungsbedürftigen Schocks. Es sei unklar, wie sicher das Medikament langfristig sei: Es lägen nur Daten für ein Jahr vor.
Fachleute vermuten auch, dass Vyepti die Herzgefässe verengen könnte. Bereits in den Studien schloss man deshalb Migränepatienten mit Herzproblemen aus. Arzt Becker-Brüser resümiert: «Ich sehe keinen sinnvollen Einsatz von Vyepti.»
Das «Arznei-Telegramm» empfiehlt Patienten, auf die anderen Antikörpermedikamente Aimovig oder Ajovy auszuweichen. Die Studienlage sei bei diesen Medikamenten ein bisschen besser.
Die Herstellerin Lundbeck schreibt saldo, die meisten Reaktionen, die eine Überempfindlichkeit auslösten, seien während der Infusion beim Arzt aufgetreten, nicht später – und sie seien «nicht schwerwiegend» gewesen. Bei einem grossen Teil der Migränepatienten würden die konventionellen Medikamente nicht mehr wirken.
Gratis-Merkblatt «Migräne vorbeugen und behandeln»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.