Viele Patienten mit Diabetes müssen regelmässig den Blutzucker messen. So erkennen sie, ob sie Insulin brauchen. Bisher mussten sie sich zum Messen mehrmals am Tag in den Finger stechen und einen Tropfen Blut auf einen Teststreifen geben. Einfacher soll es mit neuen Messsystemen gehen, zum Beispiel dem Freestyle Libre von Abbott. Das ist ein Sensor, den Betroffene am Oberarm wie ein Pflaster aufkleben. Er ist etwa so gross wie ein Zweifrankenstück. Über eine feine Nadel misst er permanent den Zucker in der Gewebeflüssigkeit. Hält man das dazugehörige Lesegerät an den Sensor, zeigt es den Zuckerwert an. Alle zwei Wochen muss man den Sensor austauschen. Zusammen mit dem Lesegerät kommen Patienten auf jährliche Kosten von 1600 Franken.
Patienten klagen über Hautausschläge
Für fast den gleichen Preis kann man sich mit Teststreifen fünf Mal am Tag den Blutzucker messen. Hersteller Abbott wirbt damit, nicht nur Diabetespatienten des Typ 1 «könnten von der Nutzung von Freestyle Libre profitieren», sondern auch Patienten des Typ 2. Letztere machen 90 Prozent aller Diabetespatienten aus. Bei Diabetes 1 produziert der Körper kein Insulin mehr, beim Typ 2 nur noch beschränkt. Zudem wirkt das Insulin nicht mehr richtig. Diabetes 1 tritt häufiger bei Kindern und jungen Erwachsenen auf.
Kritiker erachten das Freestyle-Libre-Pflaster für die meisten Patienten mit Diabetes 2 als unnötig. Diese brauchten höchstens Tabletten und kein Insulin. Der Zürcher Arzt Thomas Walser sagt: «Bei Diabetespatienten des Typ 2, die kein Insulin benötigen, reicht es meist, wenn der Arzt alle drei Monate den Langzeitzuckerwert misst.»
Anwender des Pflasters klagten zudem über Hautausschläge, so auch Roland Sütterlin aus Eiken AG. Er verwendet es seit über einem Jahr. Vor kurzem reagierte seine Haut unter dem Sensor: Sie war gerötet und nässte. Ärztin Martina Frei vom saldo-Beratungstelefon Meditel bestätigt: «Wer den Sensor über lange Zeit anwendet, kann eine Allergie entwickeln.» Zum gleichen Schluss kam das Fachmagazin «The Lancet». Die Wissenschafter vermuten, dass eine Chemikalie im Klebstoff die Ursache ist. Sütterlin möchte den Sensor trotzdem weiterhin verwenden. Er findet den Freestyle Libre praktischer als das tägliche Fingerstechen.
Ein anderes permanentes Messgerät kommt von Roche: das Implantat Eversense XL. Der Arzt setzt es im Oberarm unter die Haut. Darüber müssen die Patienten noch einen kleinen Transmitter kleben. Dieser übermittelt die Werte aufs Smartphone. Ist der Zucker zu hoch oder zu tief, vibriert der Sensor. Alle sechs Monate brauchen die Patienten ein neues Implantat. Eversense XL ist noch teurer als die anderen beiden Messsysteme. Pro Jahr müssen die Patienten mit Kosten von rund 4500 Franken rechnen. Zudem müssen sich die Träger trotzdem noch zweimal am Tag in den Finger stechen und den Blutzucker zusätzlich mit den Teststreifen messen. Die Ergebnisse gleichen sie mit den Werten des Implantats ab. Das macht die Messungen präziser. Der Basler Arzt Ulrich Keller sagt, das Implantat sei deshalb «etwas genauer als das Messpflaster ‹Freestyle Libre›».
Die Grundversicherung übernimmt die Kosten
Diabetesarzt Keller sagt, manche Patienten kontrollierten mit dem neuen System beinahe zwanghaft alle zehn Minuten ihren Zuckerwert. Sie seien besorgt, wenn dieser mal etwas aus dem Raster falle. «Aber der Zuckerwert schwankt, das ist normal.» Betroffene müssten lernen, mit der Fülle an Daten umzugehen.
Die Grundversicherung übernimmt die Kosten für die drei Messsysteme. Allerdings müssen die Patienten bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Diese sind je nach System unterschiedlich Roche schreibt, das Messsystem Eversense XL richte sich in erster Linie an Diabetespatienten, die Insulin benötigten. Bei Patienten, die auf Tabletten angewiesen sind, müsse der Arzt entscheiden, ob das System sinnvoll sei.