Viele kennen sie gut, die grosse Krise am frühen Nachmittag: Leistungsfähigkeit und Konzentration lassen nach, man nickt fast ein am Bürotisch. Für Esther Werth, Leiterin des Schlaflabors an der Universität Zürich, ist klar: «Zwischen 13 und 15 Uhr sorgen der Biorhythmus und vielleicht auch ein kohlehydratreiches Kantinenessen bei den meisten Menschen für ein Mittagstief.»
Wer dann ein Nickerchen macht, tankt für die nächsten 2 bis 3 Stunden neue Kraft. Zu diesem Schluss kommen immer mehr Studien. Schon eine kurze Pause reicht. Das wies auch der Schlafforscher Olaf Lahl von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf nach. Er zeigte zur Mittagszeit Testpersonen 2 Minuten lang eine Liste mit 30 Wörtern zum Auswendiglernen. Danach blieb eine Gruppe wach, die andere legte sich 6 Minuten hin. Eine Stunde später erinnerte sich die Gruppe, die das Nickerchen gemacht hatte, an 35 Prozent mehr Wörter als die Gruppe, die sich nicht hinlegte.
Australische Forscher der Flinders University in Adelaide testeten mit Freiwilligen verschieden lange Nickerchen und fanden heraus: Ein 10-Minuten-Schlaf ist am effektivsten. Die Müdigkeit verschwindet sofort, die Leistungsfähigkeit steigt und der Effekt hält 2 Stunden an.
Esther Werth: «Wichtig ist, dass man dem Nickerchen nicht mehr als 30 Minuten Zeit gibt.» Denn dann beginnt der Tiefschlaf, der nach dem Aufwachen für Schlaftrunkenheit sorgt. Ein Kaffee vor dem Schläfchen schadet dagegen nicht, im Gegenteil: Die Wirkung des Koffeins tritt erst 30 Minuten nach dem Konsum ein und sorgt dann für zusätzlichen Schub.
Auch eine halbe Stunde entspannen bringt Erholung
Der Kurzschlaf hat eventuell weitere Effekte für die Gesundheit. So haben Forscher der Universität Athen mit gut 37 000 Teilnehmern zeigen können, dass regelmässige Nickerchen das Risiko für Herzkrankheiten um 37 Prozent senken. Andere Untersuchungen geben Hinweise, dass ein Mittagsschlaf auch vor Gewichtszunahme und Diabetes schützen könnte.
In südlichen Ländern hat der Mittagsschlaf Tradition. In den USA und Japan sind sogenannte «Powernaps» in Firmen auf dem Vormarsch, in China ist das Recht darauf in der Verfassung verankert. Bei Piloten der Lufthansa ist das «Powernapping» bei längeren Flügen Dienstvorschrift.
Allerdings: Viele Menschen können über Mittag nicht auf Kommando einschlafen. Doch auch sie profitieren, sagt der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley. Oft genüge es schon, sich für eine halbe Stunde Ruhe zu gönnen, die Augen zu schliessen und sich zu entspannen. Dazu kann man im Stuhl zurücklehnen, die Füsse hochlegen oder den Kopf auf den Schreibtisch legen. Esther Wert: «Schläft man genügend in der Nacht, dann reicht auch ein Nickerchen ohne Schlaf.»