Die Einzelrichterin am Bezirksgericht Lenzburg hatte die Verhandlung eben erst eröffnet. Nach ein paar Minuten unterbricht sie: Der Raum sei in Coronazeiten zu klein. Die acht Anwesenden können den Abstand von anderthalb Metern nicht einhalten. Eine Viertelstunde später beginnt die Verhandlung in einem grösseren Gerichtssaal erneut.
Der Anwalt des Klägers kommt gleich zur Sache: «Mein Mandant verlangt von den Beklagten 2800 Franken.» Er habe dem Ehepaar vorletztes Jahr das noch unbebaute Nachbargrundstück verkauft. Man hätte sich beim Kauf darauf geeinigt, dass die neuen Nachbarn auf seinem Grundstück einen Graben von 25 Metern Länge und 3 Metern Breite ausheben dürften. Durch diesen Graben zogen die Nachbarn Strom- und Wasserleitungen für ihr Haus.
Rasen vom Bagger plattgewalzt und mit Steinen übersät
Nach Abschluss der Bauarbeiten sei der Graben zwar wieder zugeschüttet worden. Die Beklagten hätten diese Arbeit aber nicht fachmännisch erledigen lassen. «Der Garten meines Klienten sah katastrophal aus.» Laut dem Anwalt hatten die Bagger den Rasen plattgewalzt, «zudem war der Boden mit Steinen übersät».
Vor den Arbeiten sei der Garten eine «wunderschöne Nutzwiese mit vielen Sonnenblumen und Dahlien, Zucchetti-Stauden sowie Kartoffeln» gewesen, schildert der Anwalt. Sein Klient habe zur Wiederherstellung zwei Arbeiter damit beauftragt, die Erde zu lockern und die Steine zu entfernen. «Das kostete 1400 Franken.» Weitere 1400 Franken seien dem Kläger persönlich geschuldet, da dieser während über 100 Stunden selbst Steine aus dem Garten entfernt habe.
Der Anwalt der Beklagten weist die Vorwürfe zurück. «Der Garten war bereits vorher eine karge Erd- und Rasenfläche mit vielen Steinen.» Die Tiefbaufirma habe den Graben mit dem gleichen Material wieder zugeschüttet, das vorher ausgehoben worden sei. «Das geschah fachmännisch. Der Garten sah mindestens so gut aus wie vor den Bauarbeiten.» Der Kläger könne seine Vorwürfe nicht belegen, schliesst der Anwalt. «Das müsste er aber, wenn er von meinen Klienten etwas fordert.»
Kläger bekommt einen Teil der Kosten für Wiederherstellung
Gestützt auf Fotos legt die Richterin den Parteien nach kurzer Pause ihre Sicht der Dinge dar: Als die Bauarbeiten 2019 bgonnen hätten, sei der Garten «kein prächtiger Ort» gewesen. «Er war aber nicht in einem so desolaten Zustand wie heute.» Im Sommer hätte es früher im Garten noch Sonnenblumen und viel Gemüse gehabt. Deshalb sei der Kläger berechtigt gewesen, zwei Arbeiter mit der Wiederherstellung des Gartens zu beauftragen. Die Arbeiten, die er selbst ausführte, dürfe er dagegen nicht in Rechnung stellen. Er könne auch den konkreten Aufwand für die selbst erledigten Arbeiten nicht belegen.
Die Einzelrichterin schlägt den Parteien vor, dass das beklagte Ehepaar dem Kläger 1400 Franken zahlt, die Gerichtskosten von 900 Franken halbiert werden und beide Parteien ihren Anwalt selbst bezahlen.
Der Kläger will zunächst nicht darauf eingehen. Erst als ihn die Richterin auf das Risiko einer Niederlage und die dann deutlich höheren Prozesskosten hinweist, lenkt er ein.
Schadenersatzklage: Finanzieller Nachteil muss belegt werden
Wer am Gericht eine Geldforderung einklagt, muss nicht nur begründen, warum ihm die verlangte Summe gemäss Gesetz zusteht. Er muss seinen Anspruch auch genau beweisen. Denn im Zivilprozess trägt der Kläger die volle Beweislast.
Geldforderungen aus Verträgen sind in der Regel leichter zu beweisen als Forderungen auf Schadenersatz. Denn in Verträgen sind die gegenseitigen Verpflichtungen beschrieben und beziffert. Schadenersatzforderungen dagegen basieren in der Regel auf einem finanziellen Nachteil, der jemandem zugefügt wurde, ohne dass ein Vertrag vorliegt. Daher muss der Kläger die Höhe des Schadens belegen. Das gelingt leicht mit bezahlten Handwerkerrechnungen, aber nur schwer mit dem eigenen Aufwand.