Vor drei Jahren geriet eine alleinerziehende Mutter aus dem Aargau in eine schwierige Situation: Wegen gesundheitlicher Probleme sollte sie für mehrere Monate in eine Klinik. Mit Hilfe des Vereins Pflegekinder-Aktion fand sie für ihre damals 15 Jahre alte Tochter einen Platz in einer Pflegefamilie. Die Details regelte die Mutter mit dem Verein in einem Pflegevertrag.
Nach vier Monaten konnte die etwa 50 Jahre alte Frau die Klinik verlassen, die Tochter kehrte zu ihr zurück. Kurz darauf erhielt die Aargauerin eine Rechnung. Der Verein forderte sie auf, für die Fremdplatzierung 13 800 Franken zu bezahlen. Doch die Frau weigerte sich. Für sie war klar: Die Sozialen Dienste Aarau müssten die Kosten übernehmen. Dort hatte sie einen Antrag auf Kostengutsprache eingereicht. Wegen fehlender Unterlagen wollte die Behörde aber nicht zahlen. Deshalb klagte der Verein.
Am Bezirksgericht Aarau erscheint die Stellenleiterin des Vereins mit Anwalt. Für ihn ist klar: Die Mutter muss für die Kosten der Fremdplatzierung aufkommen. Der entsprechende Pflegevertrag liege bei den Akten und sei von beiden Parteien unterschrieben worden. «Eine Gratis-Fremdplatzierung gibt es nicht.»
Der Anwalt der Mutter sieht das anders. Sie habe dem Verein und den Behörden von Anfang an unmissverständlich klar gemacht, dass sie die Kosten für die Fremdplatzierung nicht selbst tragen könne. Eine Angestellte des Vereins habe ihr daraufhin gesagt, sie müsse sich über die Kosten «keine Gedanken machen». Im Pflegevertrag sei ausdrücklich festgehalten worden, «dass die Sozialen Dienste Aarau der Beklagten eine Kostengutsprache erteilen und die Kosten für die Fremdplatzierung übernehmen». Nur deshalb habe seine Klientin den Vertrag unterschrieben. «Hätte sie die Kosten selbst tragen müssen, hätte sie den Vertrag nicht unterzeichnet.» Die Mutter habe bei den Sozialen Diensten einen Antrag auf Kostengutsprache eingereicht und danach nichts mehr gehört. Deshalb sei sie davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei.
Der Anwalt des Vereins entgegnet, der Verein könne nichts dafür, dass die Frau es versäumt habe, bei den Sozialen Diensten ein vollständiges Gesuch für eine Kostengutsprache einzureichen. Deshalb müsse sie selber für die Rechnung aufkommen.
Die Mutter erhält eine Entschädigung
Der Verein ist an Vergleichsgesprächen nicht interessiert. Deshalb muss die Einzelrichterin ein Urteil fällen: Sie weist die Klage des Vereins ab. Aus dem Pflegevertrag gehe nicht eindeutig hervor, wer die Kosten der Fremdplatzierung trage. Die Mutter habe aber davon ausgehen können, dass die Sozialen Dienste diese übernehmen. Die Mutter müsse deshalb die 13 800 Franken nicht bezahlen. Der Verein muss ihr zudem für ihren Anwalt eine Parteientschädigung von 3800 Franken zahlen und für die Gerichtskosten von 1500 Franken aufkommen.
Vereinbaren Sie mit dem Anwalt ein Kostendach
Wer von jemandem Geld will und ihn einklagt, geht ein grosses Risiko ein. Unterliegt er mit der Klage, muss er nicht nur die Gerichtskosten vollumfänglich übernehmen, sondern auch noch die Gegenpartei für ihre Umtriebe entschädigen. Das kommt teuer, wenn die beklagte Partei einen Anwalt beizieht.
Die Höhe der Gerichtsgebühren und der Prozessentschädigung an die Gegenpartei richten sich in erster Linie nach dem Streitwert – also nach dem Betrag, um den gestritten wird. Die Kosten und Entschädigungen werden von den Kantonen festgelegt und sind in der Schweiz höchst unterschiedlich. Tipp: Unbedingt vor dem Einreichen einer Forderungsklage einen Blick auf die kantonale Gebührenordnung werfen. Sie ist im Internet publiziert.
Nicht nur verlorene, auch gewonnene Prozesse können teuer werden. Denn die von den Gerichten festgesetzten Entschädigungen decken vor allem bei Streitigkeiten um weniger als 10000 Franken die Anwaltskosten kaum. Folge: Die vom Gericht dem Obsiegenden zugesprochene Entschädigung ist tiefer als seine Anwaltsrechnung. Tipp: Mit dem Anwalt schon zu Beginn ein Kostendach in der Höhe der maximalen Prozessentschädigung vereinbaren.