Seit 40 Jahren führt ein Ehepaar aus dem Kanton St. Gallen eine Autowerkstatt in gemieteten Gewerberäumen. Dann kommt der Schock: Im September kündigt die Vermieterin den Mietvertrag. Als Grund gibt sie Eigenbedarf an: Der Sohn, der im gleichen Gebäude ebenfalls eine Autowerkstatt betreibt, will die Räumlichkeiten übernehmen. Das Ehepaar akzeptiert die Kündigung nicht. Vor der Schlichtungsbehörde wird keine Einigung erzielt. Das Paar zieht den Fall vors Kreisgericht See-Gaster in Uznach SG.
«Die Kündigung ist klar missbräuchlich», kommt der Anwalt des Garagistenpaars gleich zur Sache. Der Hinweis auf Eigenbedarf sei ein vorgeschobener Grund. «In der Liegenschaft gibt es zwei weitere Gewerberäume: In einem befindet sich ein Malergeschäft, im anderen die Autowerkstatt des Sohns der Vermieterin.» Das Malergeschäft habe vor zwei Monaten gekündigt. «Hätte der Sohn der Beklagten wirklich mehr Platz gebraucht, hätte er diese Räume nutzen können.» Stattdessen seien diese neu vermietet worden.
Der wahre Grund für die Kündigung seien Spannungen zwischen den Mietern und dem Sohn der Beklagten, sagt der Anwalt. «Dieser stellte seine Autos wiederholt auf die Parkplätze der Kläger oder parkierte sie so, dass die Ausfahrt versperrt war.» Mehrfach habe das Paar den Sohn gebeten, damit aufzuhören. «Als sie dies letztes Jahr erneut tat, drohte der Sohn mit der Kündigung. Damit liegt eine missbräuchliche Rachekündigung vor, weshalb die Kündigung aufzuheben ist.» Auf jeden Fall müsse die Beklagte dem Garagistenpaar eine Mieterstreckung gewähren, so der Anwalt: «Neben der langen Mietdauer spricht auch die Ortsgebundenheit des Betriebs für eine Erstreckung – meine Mandanten haben viele Stammkunden.»
Alles hängt vom Nachweis des Eigenbedarfs ab
Die Vermieterin ist mit ihrem Sohn vor Gericht erschienen. Sie spricht nur schlecht Deutsch. «Ich betreibe meine Werkstatt seit 2016», sagt der Sohn. «Nach anfänglichen Problemen läuft das Geschäft gut. Deshalb brauche ich mehr Platz.» Der Sohn wehrt sich gegen eine Mieterstreckung. Eine solche komme nur in Notfällen zum Zug. Das Garagistenpaar habe nicht ernsthaft nach neuen Räumlichkeiten gesucht.
Nach einer kurzen Pause erläutert der Richter seine Einschätzung. «Zentral ist, ob der Nachweis des Eigenbedarfs gelingt.» Die Vermieterin müsse diesen eindeutig belegen können. Dagegen spreche, dass der Sohn die Räume des Malergeschäfts nicht übernommen habe, nachdem dieses gekündigt hatte. «Für eine Erstreckung des Mietverhältnisses sprechen das sehr lange Mietverhältnis und die Tatsache, dass es für die Mieter schwierig ist, vergleichbare Räume zu einem ähnlichen Mietzins zu finden.»
Der Richter schlägt den Parteien vor, das Mietverhältnis um zwei bis vier Jahre zu erstrecken. Nach einem weiteren Wortwechsel einigen sie sich schliesslich, dass der Vertrag um drei Jahre verlängert wird. Die Gerichtskosten von 2000 Franken teilen sich die Vermieterin und die Mieter.
Missbräuchliche Kündigung: So sind Wohnungs- und Geschäftsmieter geschützt
Mieter und Vermieter können den Vertrag aus jedem beliebigen Grund kündigen. Auf Verlangen muss der Vermieter die Kündigung aber begründen. Diese darf nicht missbräuchlich sein. Das ist der Fall, wenn die Kündigung erfolgt, um eine Mietzinserhöhung durchzusetzen oder wenn der Mieter zum Kauf der Immobilie gezwungen werden soll. Ebenfalls missbräuchlich ist eine Kündigung des Vermieters, nachdem die Mieter gerechtfertigte Ansprüche aus dem Mietvertrag geltend machten.