Die Migros erhöhte den Preis für Schweizer Weissmehl im Februar um 2,8 Prozent. Coop hob den Qualité-et-Prix-Mehlpreis um 5,7 Prozent an. Seither kostet ein Kilo Standardmehl bei beiden Grossverteilern Fr. 1.85. Die Detailhändler gaben den Konsumenten damit die Preisaufschläge der Getreidemüller weiter. Diese begründeten den Aufschlag mit der schlechten Qualität der letztjährigen Brotgetreideernte.
Laut dem Dachverband der Schweizer Müller habe zu viel Regen dazu geführt, dass der Schweizer Weizen mit natürlichem Trockenkleber und proteinreichem Importweizen angereichert werden musste. Erst dadurch sei ein Mehl entstanden, das gut gebacken werden konnte. Der Verband sprach letzten September von einem «ausserordentlichen Kostenschub» und empfahl, die Preise anzuheben. Im Schnitt verlangten die Mühlen 4 Prozent mehr (siehe Tabelle).
Dieses Jahr war die Weizenernte wieder gut. Die Hitze schadete dem Getreide kaum, die Qualität liegt im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Das zeigen die Tests des Getreideverbands Swissgranum. Aufgrund der Hitze wurde zwar weniger geerntet. Doch das ist gut für die Konsumenten: Die eidgenössische Zollverwaltung erhöhte das Importkontingent um 28 Prozent auf 90 000 Tonnen Weizen. Das wirkt preissenkend. Denn der ausländische Weizen ist wegen guter Ernten und der Aufhebung des Euro-Mindestkurses um rund 20 Prozent günstiger geworden. Das zeigen die Zahlen der Pariser Weizenbörse Matif.
«Müller geben Kostensenkungen nicht weiter»
Wenn mehr günstiger Weizen importiert wird und der Schweizer Weizen keine teuren Zusatzstoffe mehr benötigt, müsste der Mehlpreis sinken. Doch davon wollen die durch Zölle geschützten Mehlproduzenten nichts wissen. Der Dachverband der Schweizer Müller sieht keinen Anlass für eine Preissenkung. Geschäftsführer Lorenz Hirt argumentiert unter anderem damit, dass die Müller wegen der Hitze eine geringere Ausbeute beim Verarbeiten hätten. Mehr Weizenkörner wären nicht voll ausgebildet und unbrauchbar. Zudem erhielten die Müller für Mehlnebenprodukte wie Weizenkleie weniger Geld.
Bauer und Bäcker Hans Egli aus Steinmaur ZH hat wenig Mitleid mit den Getreidemühlen: «Es fällt auf, dass sie bei Mehrkosten jeweils sofort den Preis erhöhen, die Kostensenkungen jedoch nicht weitergeben.»
Egli liefert pro Jahr rund 50 Tonnen Brotgetreide in eine Mühle und bezieht für seinen Hofladen 35 Tonnen Mehl, um Brot zu backen. In den letzten fünf Jahren ist der Mehlpreis, den er dem Müller bezahlen muss, um rund 8 Prozent gestiegen. Für seinen Weizen erhält Egli jedoch nicht mehr, wie die Marktzahlen des Bundesamts für Landwirtschaft belegen. Egli: «Dass die Müller die Preise nicht senken, ist nicht verständlich. Diese Preispolitik auf dem Buckel der Konsumenten und Bauern ist falsch.»
Schweizer Mehl ist durch Zölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt. Wer gewerbsmässig importiert, muss 50,7 Rappen pro Kilo in die Bundeskasse zahlen. Der Kilopreis des im Juli importierten Mehls erhöhte sich dadurch von 59,4 Rappen auf Fr. 1.10 im Durchschnitt. Das zeigt die Aussenhandelsstatistik. Zum Vergleich: Die Schweizer Müller verlangten laut Bundesamt für Landwirtschaft im Juli für ein Kilo Mehl 96,3 Rappen.
Mehr Gewinn trotz schlechter Ernte für Grossmüllerei
In der Schweiz dominieren zwei Grossmüllereien den Markt: Die Coop-Tochter Swissmill und die Groupe Minoteries, die unter anderem die Migros und Nestlé beliefert. Beide zusammen haben einen Marktanteil von rund 60 Prozent. Mit weiteren fünf deutlich kleineren Mühlen verarbeiten sie 90 Prozent des Weizens.
Swissmill will nicht sagen, wie profitabel das Geschäft mit dem Mehl ist. Der Geschäftsbericht der Groupe Minoteries zeigt, dass die Firma im letzten Jahr trotz schlechter Ernte den Gewinn im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöhen konnte.
Das börsenkotierte Unternehmen zahlt seinem Geschäftsführer ein Jahresgehalt von stolzen 596 000 Franken. Im Verwaltungsrat sitzen Genfer Anwälte, ehemalige Top-Banker von Goldman Sachs und Credit Suisse sowie der gestürzte Walliser Krankenkassenkönig Pierre-Marcel Revaz, der die Groupe Mutuel aufgebaut hatte.
Geschäftsführer Marc Müller sagt, der Mehlmarkt sei stark umkämpft, und verweist auf sinkende Nettomargen. Der abnehmende Mehl- und Brotabsatz in der Schweiz führe zu Überkapazitäten und einer grösseren Konkurrenz unter den Getreidemühlen. Der Westschweizer Mühlengruppe scheint es dennoch zu gelingen, höhere Mehlpreise durchzusetzen.
Um die günstige ausländische Konkurrenz von der Schweiz fernzuhalten, fordert die Müller-Branche eine Erhöhung des Getreidezolls um 30 Prozent. Steigt der Getreidezoll, würde automatisch auch der Mehlzoll von 50,7 Rappen auf 60 Rappen pro Kilo erhöht. Die Forderung dürfte es in Bern schwer haben. Schon heute stammen bloss 15 Prozent des vermahlenen Brotgetreides aus dem Ausland. Offenbar ist das den Müllern aber bereits zu viel.