Kaum spriessen die ersten Narzissen, preisen Apotheken, Drogerien und Hersteller ihre Stärkungsmittel und Fitmacher an: «Schluss mit schlapp» heisst es in der Werbung von Floradix, einem Präparat mit Eisen, Vitamin B12 und Kräuterextrakten. Apotheken empfehlen oft auch Multivitamine, Magnesium oder B-Vitamine gegen Frühjahrsmüdigkeit. Das Geschäft mit Vitaminpillen und Stärkungsmitteln floriert: Im vergangenen Jahr gingen über 5 Millionen Packungen über die Ladentische. Das besagen Zahlen des Branchenverbands Interpharma. Hinzu kommen die Verkäufe der Grossverteiler.
Doch: Bei Frühlingsmüdigkeit kann man sich solche Produkte sparen. Ernährungsmediziner David Fäh von der Berner Fachhochschule sagt: «Sie haben höchstens einen Placeboeffekt.» Die meisten Menschen sind genügend mit Nährstoffen versorgt – auch nach dem Winter. Lediglich der Vitamin-D-Spiegel sei bei einigen Leuten im Frühling niedrig. «Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies allein die Müdigkeit verursacht», sagt der Experte.
Zu viel Vitamine und Mineralien kann schädlich sein
Fachleute raten, nur dann Präparate einzusetzen, wenn der Arzt einen Mangel nachgewiesen hat. Zum Beispiel von Eisen. Junge Frauen haben wegen der Menstruation oft zu wenig davon. Vor allem, wenn sie kein Fleisch essen. Eisen ist wichtig, um den Sauerstoff im Blut zu transportieren. Fehlt es, kann es zu einer Blutarmut kommen und diese macht müde – allerdings nicht nur im Frühling. Auch zu wenig Vitamin B6 und B12 können zu Blutarmut führen. Doch auch dies hat nichts mit Frühlingsmüdigkeit zu tun. Die Vitamine sind vor allem in Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten enthalten. Davon isst man im Winter nicht weniger als in der warmen Jahreszeit.
David Fäh sagt: «Wer gut versorgt ist und trotzdem Vitamine und Mineralien schluckt, schafft keinen zusätzlichen Vorteil.» Im Gegenteil: Ein Zuviel kann gar schaden. Eine Analyse des unabhängigen Expertennetzwerks Cochrane Collaboration zeigt, dass vor allem die langfristige Einnahme von Vitamin A, E und Betakarotin mehr schadet als nützt. Auch Präparate mit Magnesium sind umstritten. In der Werbung des Stärkungsmittels Strath Vitality heisst es, Magnesium helfe, wenn man müde und erschöpft sei. Fäh bezweifelt, dass dies viel nützt. Zudem kann Magnesium zu Durchfall und Erbrechen führen («Gesundheitstipp» 2/2017). Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt höchstens 250 Milligramm Magnesium pro Tag. In einer Tagesportion von sechs Strath-Vitality-Tabletten sind 281 Milligramm enthalten.
Steigende Temperaturen lassen Blutdruck sinken
Warum sich einige Menschen im Frühling schlapp fühlen, ist offen. Der Arzt Matthias Strub vom Zentrum für Schlafmedizin Basel hat verschiedene Erklärungen: «Die Tage werden länger. Das kann den Schlaf-Wach-Rhythmus stören.» Bei anderen ist der Kreislauf die Ursache: Wenn es plötzlich warm wird, dehnen sich die Blutgefässe aus. Das lässt den Blutdruck sinken. Fällt er zu tief, ist man müde. In jedem Fall gilt: «Raus in die Natur – am besten bei Sonnenschein – und viel bewegen», rät David Fäh. Das ist wirksamer und günstiger als Pillen aus der Apotheke.
Der Hersteller Bio-Strath bestätigt, dass «Magnesium allein keinen wesentlichen Einfluss auf Müdigkeit und Erschöpfung hat». Entscheidend sei die Kombination mit Kräuterhefe. Die Firma empfiehlt, die Dosis über den Tag verteilt einzunehmen. Damit sei das Risiko von Nebenwirkungen gering. Zudem sei das Magnesium «tief dosiert».