Durchschnittlich jede Minute legt sich in der Schweiz ein Patient in ein sogenanntes Magnetresonanztomografie-Gerät (MRT, englisch MRI): 537 774 solche Untersuchungen haben Radiologen in Schweizer Spitälern im vorletzten Jahr gemacht.
Spitäler und Gesundheitsinstitute machen mit Tomografen hohe Gewinne (saldo 18/2015). Oft sind solche MRI-Scans aber unnötig, etwa bei unspezifischen Rückenschmerzen. Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin sagt dazu: «Bei solchen Schmerzen verbessert ein Scan in den ersten sechs Wochen das Ergebnis nicht, er erhöht aber die Kosten.»
Bei den meisten MRI-Untersuchungen spritzt der Arzt dem Patienten ein magnetisches Kontrastmittel in die Venen. Es macht die Organe und das Gewebe im Scan besser sichtbar. Gewisse Tumore lassen sich nur so erkennen. In der Schweiz sind 14 solche Kontrastmittel zugelassen. Alle enthalten das magnetische Metall Gadolinium.
Normalerweise wird Gadolinium über die Nieren ausgeschieden. Bei Patienten mit Nierenschwäche kann es vorkommen, dass das Metall länger im Körper bleibt, sich in Haut und Organen ablagert sowie eine Bindegewebserkrankung auslöst. Deshalb wird das Mittel solchen Patienten eher nicht gespritzt.
US-Arzneimittelbehörde: Gadolinium kann sich im Gehirn ablagern
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnte Anfang dieses Jahres, Kontrastmittel mit Gadolinium könnten sich nach der MRI-Untersuchung im Gehirn ablagern. Dies zeigten neue medizinische Studien: Forscher hatten im Gehirn von Patienten Rückstände von Gadolinium gefunden. Die Betroffenen erhielten einige Jahre zuvor mindestens vier Mal gadoliniumhaltige Kontrastmittel. Elmar Merkle, Chefarzt der Klinik für Radiologie am Unispital Basel, bestätigt: Mehrere Studien hätten gezeigt, dass sich die zugelassenen gadoliniumhaltigen MRI-Kontrastmittel zu geringen Teilen im Körper ablagern könnten.
Ob die Ablagerungen zu gesundheitlichen Schäden führen, ist zurzeit noch unklar. Erstaunlich: Pro Jahr wird weltweit über 30 Millionen Mal ein gadoliniumhaltiges Kontrastmittel verabreicht – doch Untersuchungen zu allfälligen Beschwerden durch Ablagerungen gibt es nicht. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA gab Ende März bekannt, sie wolle das Risiko von Ablagerungen im Gehirn überprüfen. Und die amerikanische Arzneimittelbehörde trifft nun weitere Abklärungen. Sie fordert, den Gebrauch von MRI-Kontrastmitteln zu überdenken und gadoliniumhaltige Mittel nur zu spritzen, wenn es nicht anders geht.
Hersteller der in der Schweiz zugelassenen Kontrastmittel sind Unternehmen wie Bayer, GE Healthcare oder Guerbet. Alle drei Hersteller sagen, sie hätten die Ärzte über die neuen Erkenntnisse schriftlich informiert. Guerbet sagt, man begrüsse die empfohlenen Vorsichtsmassnahmen der US-Behörde. Die neuen medizinischen Daten dürften nicht ignoriert werden.
Die Patienteninformationen zu MRI berücksichtigen jedoch in vielen Fällen die Vorbehalte der Behörden nicht. Zum Beispiel im Spital Winterthur: Auf seiner Website ist zu lesen, dass sich die gadoliniumhaltigen Kontrastmittel durch «eine hervorragende Verträglichkeit auszeichnen und im Allgemeinen auch bei nierenkranken Patienten benutzt werden dürfen». Reaktionen auf Kontrastmittel seien äusserst selten und meist harmlos. Auch die Gruppe der Hirslanden-Kliniken schreibt, Kontrastmittel seien in der Regel gut verträglich.
Die Spitäler erklären, das seien nur allgemeine Aussagen. Die Risiken würden jeweils individuell geprüft: Die Patienten würden mittels Fragebogen gecheckt, auf Nebenwirkungen aufmerksam gemacht und vor jeder Anwendung von Kontrastmitteln um ein schriftliches Einverständnis gebeten.