Nina Linder aus Bäretswil ZH hat einen anstrengenden Beruf: Die Floristin steht fast den ganzen Tag am Blumentisch und fertigt Sträusse, Gestecke und Kränze an. Seit einigen Wochen ist der Schleimbeutel in ihrer Schulter entzündet, und die Muskeln rundherum schmerzen. Das stört die 39-Jährige bei der Arbeit. Ihr Rezept: Kinesio-Tapes. Das sind dehnbare, rund 5 Zentimeter breite Bänder, die auf einer Seite kleben. Sie sollen Schmerzen lindern und dem Körper helfen, bei Fehlhaltungen in die richtige Position zurückzufinden. Der Physiotherapeut klebt der Floristin die Bänder jeweils am Ende einer Sitzung auf die Schulter. Nina Linder sagt: «Mit den Tapes fühlt sich die Schulter stabiler an, und ich habe weniger Schmerzen.» Die Bänder bleiben rund eine Woche auf der Haut.
Studien weisen darauf hin, dass Kinesio-Tapes bei einem entzündeten Schleimbeutel besser gegen Schmerzen wirken als Schmerzmittel. Bei einem instabilen Kniegelenk – etwa bei Arthrose – erhöhen sie zudem die Beweglichkeit. Das ergab vor zwei Jahren eine Übersichtsstudie der Universität Chengdu (China) mit rund 500 Patienten, die im Fachblatt «American Journal of Physical Medicine and Rehabilitation» erschien.
Kinesio-Tapes lassen sich meist gut selbst anbringen. Wie das geht, zeigt ein Merkblatt des «Gesundheitstipp». Eine Rolle Kinesio-Tape kostet rund 15 Franken und reicht für etwa zehn Anwendungen.
Die Klebebänder nützen auch bei einem Hallux valgus – einer Fehlstellung des Zehengrundgelenks. Polnische Forscher untersuchten 2021 rund 40 Personen, die an einem Hallux litten. Sie erhielten regelmässig Kinesio-Tapes aufgeklebt, die den grossen Zeh in eine geradere Position zogen. Nach einem Monat verspürten sie deutlich weniger Schmerzen als zuvor. Die Bänder eignen sich vor allem bei leichtem Hallux.
Nachhaltige Verbesserung nur mit gezieltem Training
Auch bei Fehlhaltungen von Schultern und Wirbelsäule können die Tapes hilfreich sein. Hannu Luomajoki ist Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und verantwortlich für die Ausbildung von Physiotherapeuten. Er erklärt: «Die Tapes helfen Patienten dabei, den Körper besser wahrzunehmen.» Man klebt sie so, dass sie auf der Haut spannen, sobald man in die Fehlhaltung verfällt: So soll man rasch wieder die optimale Haltung annehmen. Für eine nachhaltige Verbesserung reichen Tapes allein aber nicht aus, sagt Luomajoki: «Dazu muss man gezielt trainieren und die Fehlhaltung korrigieren.»
Auch Schmerzen an der Lende oder in der Ferse können die Tapes lindern. Man zieht sie beim Aufkleben in die Länge und klebt sie auf die Haut. Bewegt man sich, spürt man die Schmerzen weniger stark. Das funktioniert oft gut, sagt Luomajoki: «Manche Patienten berichten, dass sie sich dank der Tapes besser bewegen können.» Allerdings lockern die Bänder weder Muskeln, noch verbessern sie die Funktion von Gelenken. Deshalb empfiehlt Luomajoki die Tapes ergänzend zu anderen Therapien wie Krafttraining. Weniger gut wirken sie bei geschwollenen Füssen und Beinen, Blutergüssen oder verhärteten Oberschenkel- und Wadenmuskeln.
Tipp: Wenn man sich nach zehn Minuten nicht besser fühlt, das Tape drückt oder eine Schwellung verursacht, sollte man es sofort entfernen.
Kostenloses Merkblatt «Kinesio-Tapes»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.