Mit 6 Prozent der Manager-Boni könnten alle Lehman-Opfer entschädigt werden
Die Credit Suisse zahlt ihren bestbezahlten Managern Boni in der Höhe von 6,9 Milliarden Franken. Für die Kunden, denen sie Lehman-Papiere aufschwatzte, hat sie hingegen kein Geld.
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saldo 07/2010
11.04.2010
Letzte Aktualisierung:
12.04.2010
Werner Fischer, Gertrud Rall
Die Credit Suisse (CS) hat rund 6000 Sparer mit Papieren der konkursiten US-Bank Lehman Brothers geschädigt. Der durchschnittliche Verlust beträgt gemäss verschiedenen Berechnungen rund 50‘000 bis 60‘000 Franken. Nach grossem öffentlichem Druck entschloss sich die Grossbank, rund der Hälfte der Betroffenen einen Teil der Verluste – meist weniger als die Hälfte – zu ersetzen. Das heisst: 3700 Opfer erhielten insgesamt 150 Millionen Franken....
Die Credit Suisse (CS) hat rund 6000 Sparer mit Papieren der konkursiten US-Bank Lehman Brothers geschädigt. Der durchschnittliche Verlust beträgt gemäss verschiedenen Berechnungen rund 50‘000 bis 60‘000 Franken. Nach grossem öffentlichem Druck entschloss sich die Grossbank, rund der Hälfte der Betroffenen einen Teil der Verluste – meist weniger als die Hälfte – zu ersetzen. Das heisst: 3700 Opfer erhielten insgesamt 150 Millionen Franken. Sie mussten Abschreiber von bis zu 70 Prozent hinnehmen.
Lehman-Opfer haben rund 600 Millionen Franken verloren
Zum Vergleich: Die gigantische Summe von 6900 Millionen Franken zahlt die CS ihren Managern im Jahr 2009 als Bonus aus. Allein der Unternehmensleiter Brady Dougan kassierte zusätzlich zu seinem Lohn von 1,25 Millionen Franken einen Jahresbonus für 2009 von 17,9 Millionen Franken und noch 70,9 Millionen aus einem mehrjährigen Bonusprogramm.
Die 400 Super-Kader der Credit Suisse erhielten nach Ostern Aktien für 3 Milliarden aus einem speziellen Bonusplan aus dem Jahre 2005. Das Geld für die Entschädigung der von der Lehman-Pleite betroffenen rund 6000 CS-Kunden wäre also vorhanden gewesen. Auf rund 600 Millionen Franken schätzt die Schutzgemeinschaft der Lehman-Anleger den gesamten Verlust der CS-Kunden. 150 Millionen hat die Bank ersetzt. Bleibt ein Rest von 450 Millionen. Man rechne: Mit rund 6 Prozent der Boni-Zahlungen für 2009 könnten alle Lehman-Geschädigten der CS voll entschädigt werden.
Die Bank hält nichts von dieser Idee. Credit-Suisse-Sprecher Marc Dosch: «Man darf die Lehman-Verluste nicht mit den Boni-Zahlungen in Verbindung bringen.» Die Bank habe sich «kulant um die Fälle gekümmert, kulanter als andere». Das stimmt nicht: Die meisten Kantonalbanken mit weit weniger Betroffenen haben häufig den vollen Schaden gedeckt (saldo 15/09).
Der CS-Sprecher verweist auch auf den kürzlich erschienenen Bericht der Finanzmarktaufsicht Finma. Die Finma habe bei der CS «keine systematischen Fehler» festgestellt. Die Finma wäre laut Gesetz für den Schutz der Anleger zuständig. In Artikel 5 des Gesetzes über die Finma heisst es wörtlich: Die Finanzmarktaufsicht «bezweckt den Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger».
Die Finma schiebt die Verantwortung an die Kunden ab
In ihrem Anfang März veröffentlichten Bericht zum Betrugsfall Madoff und zur Pleite der US-Bank Lehman anerkennt die Behörde, dass das Gesetz Schweizer Bankkunden in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung nicht ausreichend schützt. Vor allem hinsichtlich der Verlustrisiken müssten Banken besser informieren. Ausserdem sollten sie das Risiko-Profil des Anlegers besser abklären. Der CS wirft sie einzig vor, dass es in «verschiedenen Fällen» zu Fehlern bei der Beratung gekommen sei.
Den Ball gibt die Finma an die einzelnen Anleger weiter. «Wir haben keine Einzelfallprüfung durchgeführt. In Einzelfällen muss der Kunde selbst aktiv werden, dafür steht das Zivilrecht zur Verfügung», so Finma-Sprecher Alain Bichsel. Auf Deutsch: Die Geprellten sollen doch auf eigenes Risiko gegen die Credit Suisse prozessieren.
Ehemalige Banker dominieren in der Finanzmarktaufsicht
Dass die Finma die CS in Schutz nimmt, erstaunt nicht, wenn man die personelle Zusammensetzung anschaut. Das Personal stammt praktisch durchwegs von Grossbanken und Versicherungen. Allen voran VR-Präsident Eugen Haltiner. Er arbeitete mehr als drei Jahrzehnte lang für die UBS, zuletzt als Direktor.
Die jüngste Finma-Personalie: Mark Brenson war zehn Jahre bei der UBS. Jetzt wird er bei der Finma neuer Leiter des Geschäftsbereichs Banken. Finma-Sprecher Alain Bichsel begründet dies mit der nötigen Kompetenz: «Überwacher müssen mit Überwachten auf gleicher Augenhöhe sein.» Und erfahrene Leute hätten nun mal eine Vergangenheit.
Für die personelle Besetzung des Finma-Verwaltungsrats ist laut Gesetz der Bundesrat zuständig. Er muss bei der Wahl der VR-Mitglieder für eine «angemessene Vertretung der verschiedenen Fachbereiche (Banken, Versicherungen, Börsen, etc.) sorgen». Die Kunden sind darin nicht vertreten.
Deutschland
Erstmals hat sich ein Lehman-Geschädigter vor einem deutschen Oberlandesgericht gegen seine Bank durchgesetzt. Die Frankfurter Sparkasse muss einem Anleger wegen mangelhafter Beratung beim Verkauf von Lehman-Zertifikaten Schadenersatz leisten. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt und wies damit die Berufungsklage der Bank zurück. Der Kläger hatte nach telefonischer Beratung 7000 Euro in Lehman-Papiere investiert und verloren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Bank ihre Aufklärungspflicht verletzt hat.