Künftig müssen Autos die Augenbewegung der Fahrer überwachen. Das verlangt eine neue EU-Vorschrift. Der Bundesrat hat sie in der «Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge» übernommen. Die Überwachung des Lenkers soll die Sicherheit beim Fahren erhöhen. So warnt das System etwa Autolenker, wenn sie ihren Blick zu lange von der Windschutzscheibe abwenden – je nach Fahrgeschwindigkeit nach 3 bis 6 Sekunden.
Neue Autotypen ohne dieses Überwachungssystem werden seit dem 1. April nicht mehr für den Verkehr zugelassen. Ab 1. Januar 2027 gilt diese Vorschrift in der Schweiz für alle neu zugelassenen Autos. Die Überwachung des Fahrers erfolgt mit eingebauten Kameras. Die EU-Verordnung erlaubt auch den Einsatz von Infrarotkameras. Diese erfassen nur Wärmebilder von Gesichtern. Davon machen etwa Mercedes, Hyundai und Volvo Gebrauch. Mercedes baut die Infrarotkameras in allen Modellen beim Fahrerdisplay hinter dem Lenkrad ein.
Bei Volvos der Modelle EX90, EX30 und EM90 befinden sie sich im Armaturenbrett hinter dem Lenkrad, bei Hyundai auf der Lenksäule hinter dem Lenkrad des Kona. Weitere Hersteller bauen Kameras ein, die den Fahrer ständig filmen. Beispiele:
- Tesla: Laut Handbuch befinden sich die Kameras in allen Modellen über dem Rückspiegel.
- BMW: Beim Modell i4 ist die Kamera im Display hinter dem Lenkrad eingebaut.
- VW: Eine Kamera wird in den Rückspiegel des neuen Modells Tayron eingebaut.
- Audi: Auch der A6 e-Tron wird mit einer Kamera bestückt. Audi nennt deren Position gegenüber saldo nicht.
- Skoda: Im geplanten Elroq wird eine Kamera eingebaut. Auch Skoda gibt keine Auskunft über deren Position.
Gemäss Verordnung müssen die Daten im Auto bleiben und dürfen nicht weitergesendet werden. Und der Fahrer muss das System oder das Warnsignal abschalten können. Die Verordnung schreibt jedoch auch vor, dass sich dieses bei jedem Neustart des Fahrzeugs automatisch wieder einschaltet.
Tesla speichert Videos auf Firmenservern
Laut dem Bundesamt für Strassen werden die Aufnahmen nicht an die Hersteller gesendet. Das beteuern auch die angefragten Autofirmen gegenüber saldo. Das Beispiel des USKonzerns Tesla belegt aber, dass das nicht stimmen muss: Seine Fahrzeuge schickten Aufnahmen von Aussenkameras an Firmenserver, wo sie trotz gegenteiliger Aussagen gespeichert wurden.
Das zeigten 2021 Recherchen des deutschen TV-Senders ZDF. Im Tesla-Handbuch ist zu lesen, dass auch die Innenraumkamera bei einem «sicherheitskritischen Ereignis», etwa bei einer Kollision, Videomaterial an den Autokonzern schickt. Fragen von saldo beantwortete Tesla nicht. In den neuesten Modellen vieler Autos sind neben den Überwachungskameras weitere Geräte installiert, die Fahrerdaten aufzeichnen und an die Autokonzerne senden. Das ist grundsätzlich nur mit Einwilligung des Käufers zulässig. Kaufverträge enthalten deshalb eine solche Klausel.
Datenaufzeichung ausgeschaltet – und das Auto stand still
Man kann aber die Weitergabe der persönlichen Daten auch ausdrücklich ablehnen. Das tat Rémy Günter aus Zumikon ZH, ein Spezialist für Informatiksicherheit. Er kaufte einen Jaguar. Einen Tag nachdem er ein Gerät zur Datenübermittlung ausgeschaltet hatte, fuhr das Fahrzeug keinen Meter mehr. Er war gezwungen, das Gerät wieder anzuschalten, um sein Auto benützen zu können.
Günter wandte sich an den eidgenössischen und den britischen Datenschützer – ohne Erfolg. Nach einigem Hin und Her nahm Jaguar das Auto zurück. Günter weiss bis heute nicht, welche Daten das Auto über ihn verschickt und gespeichert hat. Gemäss dem schweizerischen Datenschutzgesetz haben Autofahrer einen Anspruch auf Auskunft über die über sie gespeicherten Daten. Doch die Hersteller tun sich schwer damit, die erhobenen Daten offenzulegen.
Ein saldo-Leser wollte wissen, welche Daten VW über ihn speichert. Die Schweizer Generalimporteurin Amag nannte wenig Konkretes. Erst auf mehrfaches Nachhaken erhielt der Leser Einblick: Neben Angaben zur Person wurden Reisen, Parkpositionen, Autoeinstellungen, Tankstopps und Servicetermine erfasst. Dies lässt sich aus den Dateibeschriftungen ablesen. Die Inhalte der Dateien, etwa die Ortungsdaten auf den Reisen oder beim Parkieren, erhielt der VW-Fahrer nicht.
Alle Firmen sammeln mehr Daten als nötig
Wie gross die Sammelwut der Hersteller ist, zeigt sich beim deutschen Datenhändler High Mobility. Die Firma wirbt damit, dass sie via Sensoren in den Autos fast 90 verschiedene Informationen herauslesen könne, darunter Beschleunigung, Ortung, Nutzung der Sicherheitsgurte, Unfallaufzeichnung, Texteingaben ins Multimediasystem sowie die «Fahrermüdigkeit».
Die Beraterfirma McKinsey schätzt, dass die global gesammelten Autodaten schon heute rund 50 Milliarden Dollar wert sind. Das befeuert die Sammelwut, wie eine Analyse der US-Stiftung Mozilla von Datenschutzbestimmungen bei 25 Autoherstellern zeigt: Alle sammeln mehr Daten, als es für den Betrieb und den Kundenservice nötig ist. Besonders schlecht schnitten in der Untersuchung Renault und Dacia ab.
So verbieten Sie das Sammeln von Daten
- Auf die Auto-App verzichten. Wenn man das Multimedia-System erstmals einschaltet: keine Berechtigungen erteilen, persönliche Daten vom Handy zu speichern. Hat man die App und das Multimediasystem bereits genutzt: Berechtigung widerrufen, App löschen und System auf Werkseinstellung zurücksetzen.
- Autohersteller müssen Kunden darüber informieren, welche Personendaten sie sammeln. Sie tun dies etwa im Kaufvertrag oder in den Datenschutzerklärungen ihrer Apps. Daraus geht hervor, in welche Datenbearbeitung man einwilligt. Diese Einwilligung kann man jederzeit widerrufen.
- Wer nicht will, dass Autofirmen persönliche Fahrdaten auswerten, kann das verbieten. Autobesitzer können dem Verkäufer und dem Hersteller schriftlich mitteilen, dass sie die Verwendung aller Daten zu ihrer Person untersagen, soweit Erfassung und Speicherung nicht gesetzlich vorgeschrieben sind.
- Autohersteller müssen den Kunden jederzeit Auskunft über die gespeicherten Daten erteilen. Eine Vorlage für ein Auskunftsgesuch lässt sich einfach auf der Internetseite Datenauskunftsbegehren.ch erstellen.