Das Energiegesetz spricht von «Marktprämien». Zutreffender wäre «Subventionen». Seit Anfang 2018 profitieren diverse Betreiber grosser Wasserkraftwerke davon. Und zwar dann, wenn sie den Bund überzeugen konnten, dass sie ihren Strom mit Verlust verkaufen mussten.
Stromproduzenten mit grossen eigenen Versorgungsgebieten betrifft das kaum. Denn sie dürfen ihren Wasserstrom nach eigenen Tarifen an ihre im Monopol gefangenen Haushalt- und Gewerbekunden absetzen. Elektrizitätswerke, die wenig Haushalte versorgen, müssen ihre Überschüsse an der Strombörse zu Marktpreisen verkaufen. Sie erhalten beim Bund Subventionen, wenn sie glaubhaft machen können, dass sie mit den Erlösen an der Strombörse ihre Produktionskosten nicht zu decken vermochten.
In den Netzzuschlagsfonds fliessen jährlich 100 Millionen
Berappen müssen dies Haushalte und Kleinbetriebe – unfreiwillig. Über einen Zuschlag von 0,2 Rappen pro Kilowattstunde in ihrer Stromrechnung finanzieren sie den angeblichen Verlust der Energiekonzerne. So läppern sich in einem Jahr gesamtschweizerisch rund 100 Millionen Franken zusammen. Sie fliessen in einen Topf, den sogenannten Netzzuschlagsfonds, aus dem der Bund dann die Millionen schöpft und weiterleitet.
Und wohin gehen sie konkret? saldo forderte beim Bundesamt für Energie die entsprechenden Informationen an. Die Liste umfasst 35 Kraftwerke. Die Stromriesen Axpo und Alpiq haben bei 14 und 11 dieser subventionierten Kraftwerke als Allein- oder Mitbesitzer die Finger im Spiel.
So zum Beispiel bei der Walliser Grande Dixence SA, die in den vergangenen zwei Jahren mit rund 32,5 Millionen Franken die grösste Geldspritze erhielt. Grande Dixence gehört Alpiq zu 60 Prozent und den Stromfirmen Axpo, BKW und IWB zu je 13,3 Prozent.
Mit 26,9 Millionen Franken zweitgrösste Subventionenabräumerin ist die Glarner Kraftwerke Linth-Limmern AG. Die Axpo besitzt 85 Prozent des Aktienkapitals, der Kanton Glarus 15 Prozent. Es erstaunt nicht, dass Linth-Limmern kräftig Subventionen erhielt: Linth-Limmern ist ein Pumpspeicherwerk. Das Geschäftsmodell solcher Kraftwerke geriet in den letzten Jahren stark unter Druck. Sie pumpen bei geringer Stromnachfrage Wasser mit billigem Atom- und Kohlestrom ins hochgelegene Speicherbecken, um damit bei hoher Nachfrage Spitzenstrom zu erzeugen. Den Spitzenstrom konnten sie lange hochprofitabel im Handel absetzen. Doch damit ist es vorbei, seit der Ausbau von Sonnen- und Windenergie in Europa auch in Zeiten hoher Nachfrage für Stromüberschüsse sorgt und auf die Marktpreise drückt.
Konzerne machen 1,67 Milliarden Franken Gewinn pro Jahr
Total kassierte die Schweizer Strombranche in den Jahren 2019 und 2020 rund 150 Millionen Franken an Subventionen für die Elektrizitätserzeugung in grossen Wasserkraftwerken. Zum Vergleich: In den zehn Jahren ab 2009 schrieb sie Reingewinne von durchschnittlich 1,67 Milliarden Franken pro Jahr.
Das Parlament diskutierte vor fünf Jahren über die neuen Subventionen. Damals legte sich die Branche für das Geld ins Zeug, als ob sie finanziell am Abgrund stünde. National- und Ständerat liessen sich von der Rhetorik beeindrucken und schrieben die Subventionen später ins Energiegesetz.
Diese Politiker machens möglich
Die meisten Wasserkraftwerke in der Schweiz gehören den Kantonen. Sie sind auch massgeblich an den Grosskonzernen Axpo, Alpiq, BKW und Repower beteiligt. Darum stossen die Anliegen der Branche besonders im Ständerat häufig auf offene Ohren.
Sieben Stände- und zwölf Nationalräte sitzen zurzeit gar im Verwaltungsrat mindestens eines Elektrizitätsunternehmens – darunter Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP/FR), Verwaltungsratspräsident der Grande Dixence SA, und Ständerat Martin Schmid (FDP/GR), Verwaltungsratspräsident der Engadiner Kraftwerke AG und der Elettricità Industriale SA sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Bündner Repower AG. Beide waren schon 2015 und 2016 im Parlament, als die Debatte um die neuen Subventionen für Wasserstrom auf Hochtouren lief. Und sie gehören bis heute den einflussreichen Energiekommissionen an. Schmid ist inzwischen Präsident, Bourgeois Vizepräsident.
Erst seit Ende 2019 ist Jakob Stark (SVP/TG) im Ständerat. Er löste kürzlich im Axpo-Verwaltungsrat Roland Eberle (SVP/TG) ab, der seinerseits von Ende 2011 bis Ende 2019 als Ständerat amtierte und ab 2012 bei der Axpo mitwirkte. Urs Gasche (BDP/BE) wiederum sass von Ende 2011 bis Mitte 2017 im Nationalrat. Seit Mitte 2010 ist er Verwaltungsratspräsident der BKW, sein Rücktritt ist auf kommenden Mai angekündigt.
Als BKW-Präsident erhielt Gasche im Jahr 2019 eine Vergütung von 385 000 Franken. Roland Eberle bezog im gleichen Jahr als Axpo-Vizepräsident 132 000 Franken und Martin Schmid als Repower-Verwaltungsrat 97 000 Franken.