Blick-Chefredaktor Christian Dorer forderte bereits im August eine Ausweitung der Zertifikatspflicht auf Einkaufszentren und Fernzüge. Alles andere sei ein «Kniefall vor den Impfskeptikern». Arthur Rutishauser, Chefredaktor der Tamedia-Zeitungen, schrieb im September über die Anschaffung des Janssen- Impfstoffs: «Nun kaufen wir mit unserem vielen Geld für ein paar egozentrische Impfskeptiker den Stoff, der anderswo Leben retten würde.» Und für CH-Media-Chef Patrik Müller war schon zum Nationalfeiertag klar, dass es «eine patriotische Pflicht» sei, sich impfen zu lassen.
Die grossen Schweizer Zeitungsverlage geben seit Beginn der CoronaPandemie die Stimmung vor. Sie sind weitgehend Sprachrohr des Bundesrats. Die von der Politik diktierten Massnahmen hinterfragen sie kaum kritisch. Die Berichterstattung über Corona gleiche «einem Panikorchester in der Endlosschlaufe», schrieb Stephan Russ-Mohl, ehemaliger Journalistikprofessor der Uni Lugano, in einem Kommentar in der NZZ.
Gleichzeitig machten die Verlage beim Staat die hohle Hand. Mit Erfolg: Sie erhielten als erste Branche Corona-Gelder à fonds perdu – nicht nur Überbrückungskredite. Kein Wunder, schlossen sie sogar das Pandemiejahr 2020 mit stattlichen Gewinnen ab («K-Tipp» 7/2021).
saldo wollte vom Bundesamt für Kommunikation wissen, wie viel Geld die Medien bislang während der Pandemie erhalten hatten. Aus den zugestellten Unterlagen geht hervor: Allein für die sechs Monate von Juni bis November 2020 gingen 10,2 Millionen Franken an 147 Zeitungen. Der «Blick» kassierte davon 978 604 Franken, die NZZ 431 403 Franken und der «Tages-Anzeiger» 375 534 Franken. Sogar Roger Köppels staatskritische «Weltwoche» nahm 154 655 Franken vom Bund entgegen. Der Zürcher SVP-Politiker hatte sich zuvor im Nationalrat gegen die Subventionen ausgesprochen.
Fast die Hälfte des Gelds ging an die vier grössten Verlagshäuser
Total flossen im erwähnten Zeitraum 45 Prozent der Corona-Gelder für Zeitungen an die grossen Verlagshäuser Tamedia, CH-Media, Ringier und NZZ. Sie erhielten für ihre total 38 Zeitungen 4,5 Millionen. Die Subventionen verteilen sich wie folgt:
- Tamedia («Tages-Anzeiger», «Sonntags-Zeitung», «Basler Zeitung» und andere): 2 Millionen Franken.
- CH-Media («Aargauer Zeitung», «Luzerner Zeitung» und andere): 1,1 Millionen Franken.
- Ringier («Blick», «Sonntagsblick»): 984 000 Franken.
- NZZ: «Neue Zürcher Zeitung», «NZZ am Sonntag»): 447 000 Franken.
Dabei hätten die vier Konzerne das Geld gar nicht nötig. Alle sind hochprofitabel. In den letzten zehn Jahren schrieben sie total 3,8 Milliarden Franken Betriebsgewinn vor Steuern und Abschreibungen («K-Tipp» 13/2021).
In den Genuss von Corona-Gelder kamen nicht alle abonnierten Tages- und Wochenzeitungen. Die «Schweizer Illustrierte» (Ringier) blitzte ab, weil sie laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts «nicht zu einer fundierten politischen Diskussion in der Bevölkerung» beitrage.
Die genannten Beträge sind nur ein kleiner Bruchteil der gesamten Corona-Gelder für die Verlage. Der Bundesrat verlängerte die Unterstützung für Zeitungen bereits zweimal. Sie läuft mindestens bis Ende Jahr. Insgesamt genehmigte der Bund Pressesubventionen von 38 Millionen Franken – nicht mitgerechnet die Gelder für Inserate des Bundesamts für Gesundheit.
Viel Geld vom Staat bekommen aber auch die privaten Radio- und TV-Sender, die überwiegend Grossverlagen gehören, sowie die Nachrichtenagentur SDA. Sie erhalten laut dem Bundesamt für Kommunikation Corona-Gelder von 60 Millionen.
Unter dem Strich sprachen der Bundesrat und das Parlament in den Pandemiejahren 2020 und 2021 total 98 Millionen Franken für die privaten Medien. Über eine Tranche von 20 Millionen können die Stimmbürger am 28. November entscheiden. Nur: Das Geld würde bis Ende Jahr auch bei einem Nein zum Covid-19-Gesetz ausgezahlt, weil das geltende Covid-Gesetz bis im nächsten März in Kraft bleibt. Die SRG erhielt in den letzten beiden Jahren 100 Millionen Franken zusätzlich an Serafe-Geldern.
Die Kurzarbeitsentschädigungen an die Medien sind in diesen Beträgen nicht miteingerechnet. Für die Kurzarbeit erhielt die Medienbranche inklusive der SRG bis September 2021 76,5 Millionen Franken. Das gab das Staatssekretariat für Wirtschaft gegenüber saldo bekannt.
Alle Verlagshäuser schreiben auf Anfrage, die staatlichen Corona-Gelder hätten keinen Einfluss auf ihre Berichterstattung.
Corona-Berichterstattung wird zunehmend kritisiert
Die Millionen für die Medien berappen die Bürger über Steuern und Serafe-Gebühren. Im Gegenzug dürften sie zumindest erwarten, korrekt informiert zu werden. Das im Oktober veröffentlichte Jahrbuch «Qualität der Medien» der Universität Zürich attestiert den Medien, ihre Corona-Berichterstattung sei während der zweiten Pandemiewelle im Herbst 2020 «seltener alarmistisch» gewesen als noch zu Beginn der Pandemie.
Umfragen der Forschungsstelle Sotomo im Auftrag der SRG zeichnen ein anderes Bild: Im März 2020 ging noch die Hälfte der Bevölkerung davon aus, von den Medien umfassend informiert zu werden. Im Oktober 2021 glaubten das weniger als ein Drittel. 47 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen der Ansicht, die Medien würden mit ihrer Corona-Berichterstattung übertreiben und zu Panik beitragen. Im Frühling 2020 waren es erst 25 Prozent.
Der Journalistik-Experte Stephan Russ-Mohl kritisiert die Entwicklung. Der Kampf um das Anklicken der Artikel auf den Newsplattformen der Medien im Internet führe zu einer dramatisierenden Berichterstattung, welche die Politik pausenlos unter Druck setze, stärkere Massnahmen zu ergreifen. «So bleiben Freiheitsrechte allzu schnell auf der Strecke.»
saldo weiss: Bei den Verlagen werden Journalisten verstärkt nach der Anzahl Klicks auf ihre Artikel und die Lesedauer gemessen. Vor der Pandemie waren etwa beim «Blick» vier Mal weniger Klicks nötig, damit ein Artikel bei Redaktionsleitern als «gut» galt.
Der «Blick» deutet die hohen Klickzahlen seit Beginn der Pandemie als ein «Indiz, dass uns die Leser in der Berichterstattung vertrauen», sagt «Blick» Sprecher Daniel Riedel.
Russ-Mohl: «Wenn verängstigte Leser verstärkt nach mehr Corona-Berichterstattung fragen, wird sie geliefert und weiter dramatisiert.» Und solange die Pandemie weiterköchelt, fliessen auch die staatlichen Subventionen.