Rund 120 Seiten interne Dokumente enthüllen erstmals, wie die Airlines Swiss und Easyjet von Anfang März bis Ende August um Staatshilfen in der Coronakrise kämpften. Das Material zeigt, dass Bundesrat und Bundesämter die Swiss sehr zuvorkommend behandelten, während Konkurrentin Easyjet leer ausging. saldo hat die Sitzungsprotokolle der Task Force Luftverkehr des Bundes gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz von der Eidgenössischen Finanzverwaltung angefordert.
Der Entscheid über das Hilfspaket für die Airline fiel in der Bundesratssitzung vom 29. April: Die Regierung organisierte den Lufthansa-Töchtern Swiss und Edelweiss Kredite von insgesamt rund 1,5 Milliarden Franken, um ihren Geldbedarf bis Ende Jahr zu decken. Das Geld stammt vorab von der Credit Suisse und der UBS. Für 85 Prozent dieser Summe, also für knapp 1,3 Milliarden, bürgt der Bund. Genauer: der Steuerzahler.
Die Unterstützung erfolge «unter strengen Bedingungen», beteuerte der Bundesrat. Das mag sein, was die Rückzahlungskonditionen betrifft. So sind ab Erhalt des Kredits erwirtschaftete Gelder «prioritär» zur Tilgung des Darlehens zu verwenden. Von weiteren strengen Bedingungen blieb die Swiss verschont. Die Auflage etwa, dass der Standort Schweiz nicht geschwächt werden darf, ist eine Selbstverständlichkeit. Ebenso das Verbot, vom Bund garantierte Mittel zur Muttergesellschaft Lufthansa fliessen zu lassen.
Der Swiss selbst schien die pflegliche Behandlung nicht geheuer zu sein. Noch während der Verhandlungen machte sie sich Gedanken, wie man die grosszügige Bundesgarantie rechtfertigen könnte. Unter dem Titel «Beitrag Swiss: Mögliche Elemente, um staatsgarantierten Zins zu rechtfertigen» bot die Fluggesellschaft gar an: «Mitspracherecht Bund: Sitz im Verwaltungsrat Swiss.» Das geht aus einer Powerpoint-Präsentation der Swiss vom 16. April hervor. Doch der Bund lehnte ab. Isabelle Rösch, Sprecherin des Finanzdepartements, schreibt saldo: «Es ist nicht Aufgabe des Bundes, eine Fluggesellschaft zu betreiben oder an ihr beteiligt zu sein.»
Bonusverbote und CO2-Abgaben waren kein Thema
Bereits zu Beginn der Verhandlungen war auch klar, dass es vom Bund punkto Klima keine strengen Auflagen geben würde. Im Sitzungsprotokoll vom 3. April hält die Task Force Luftverkehr fest, dass «Themen wie Bonusverbote, Lärmvorschriften, CO2-Abgaben, Preispolitik etc.» zuhanden des Bundesrats nicht aufgenommen werden sollten.
Auch die Kaderlöhne wollte der Bund nicht antasten. Die Task Force beliess es bei einer Empfehlung: «Im Rahmen der Verhandlungen soll bei Bedarf eingebracht werden, dass bei Entschädigungen des Topmanagements Zurückhaltung herrschen soll». Der Bundesrat verzichtete komplett auf Auflagen zu Lärm und Umwelt.
Im Parlament versuchte das linksgrüne Lager dann zwar, die Milliardenhilfe mit einer Fülle von Anträgen doch noch an Umwelt- und Sozialauflagen zu knüpfen. Es scheiterte aber fast vollumfänglich an der Mitte- Rechts-Mehrheit. Einzig in der Rückerstattungsfrage zeigte sich das Parlament strenger als der Bundesrat. Swiss und Edelweiss hatten Konsumenten und Reisebüros schon kurz nach Ausbruch der Krise verärgert, weil sie Tickets für annullierte Flüge gar nicht oder nur schleppend erstatteten. Das Parlament beschloss nun bei der Beratung des Hilfspakets, dass die Airlines wenigstens den Reisebüros alles bezahlte Geld zurückerstatten müssen, nicht aber den einzelnen Passagieren.
Der Bundesrat hatte in diesem Punkt gar nichts verlangt. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt verwies laut Beschlussprotokoll der Task Force vom 16. April auf die EU und schrieb: «Im Zentrum steht eine Voucher-Lösung mit dem Ziel, den Flugpassagieren bei Nichtdurchführung der Flüge Gutscheine auszustellen und allfällige Rückzahlungspflichten zeitlich zu verschieben».
Die Swiss erfreut haben dürfte der Bundesrat auch mit seinem Entscheid, Easyjet Switzerland vom Hilfspaket auszuschliessen. Die Airline mit Sitz in Meyrin GE hat an den Flughäfen Genf und Basel einen Marktanteil von rund 45 beziehungsweise 60 Prozent aller Passagiere. Die Swiss kommt in Genf nur auf 14 Prozent, in Zürich jedoch auf 54 Prozent. Ab Basel fliegt sie nicht. Selbst beim Bund gab es warnende Stimmen bezüglich Privilegierung der Swiss: Es sei «politisch nicht tragbar, den Standort Zürich zu bevorzugen», hielt die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Task-Force-Sitzung vom 24. April in einer Notiz fest.
Easyjet blitzte beim Bund mehrfach ab
Bereits am 10. März hatte sich Easyjet mit einem Hilfegesuch an Wirtschaftsminister Guy Parmelin gewandt. In den folgenden Wochen unterstrich die Airline mehrmals auch gegenüber der Task Force ihre wichtige Rolle für die internationale Anbindung der Grossregionen Genf und Basel. Und ihre Bedeutung als Arbeitgeberin, die an diesen beiden Standorten rund 1000 Leute beschäftigt. Mehrmals pochte sie auf eine Gleichbehandlung aller Schweizer Airlines.
Es nützte nichts, Easyjet Switzerland blitzte ab. Die Airline «sollte den Liquiditätsbedarf durch ihren Mutterkonzern decken können», begründete der Bundesrat die Absage. Zudem habe sie die Möglichkeit, einen Covid-19-Überbrückungskredit zu beantragen. Easyjet Switzerland beherzigte den Tipp des Bundesrats und beantragte einen Covid-19-Bankkredit. Allerdings erhielt sie auch dafür eine Absage. Als sie den Task-Force-Chef im Juli darüber ins Bild setzte, antwortete dieser, das sei bedauerlich, aber: «Sie werden verstehen, dass der Bund nicht in die vertraglichen Beziehungen zwischen Ihnen und Ihrer Bank eingreifen kann.»