Mit den obligatorischen Beiträgen an die Pensionskasse sorgen Angestellte und Arbeitgeber nicht nur fürs Alter vor. Ein Teil der Zahlungen geht aufs Konto der Risikoprämien.
Damit sind Leistungen der Pensionskasse bei Invalidität und Tod vor Erreichen des Pensionsalters versichert. Konkret: Invalidenrenten für Arbeitsunfähige und Renten für Hinterbliebene. Die Höhe der Risikoprämien bekommen Angestellte und Arbeitgeber direkt zu spüren – in Form von Lohnabzügen für die 2. Säule und tieferen Nettolöhnen für die Arbeitnehmer.
Im Geschäft mit der Pensionskasse sind auch Versicherungsgesellschaften tätig: Ende 2021 zählten sie in der 2. Säule rund 1,9 Millionen aktive Versicherte. Das ist knapp die Hälfte der rund 4 Millionen Erwerbstätigen, welche Monat für Monat in die Pensionskasse einzahlen. Im vergangenen Jahr flossen für die 2. Säule rund 15,5 Milliarden Franken an die Versicherungen und 60,8 Milliarden an die Pensionskassen.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma beaufsichtigt das Geschäftsgebaren der Versicherungen in der beruflichen Vorsorge. Aus den veröffentlichten Zahlen der Finma geht hervor: Für die Absicherung von Invalidität und Tod nehmen die Versicherer viel mehr Geld ein, als sie ausgeben.
Allein im letzten Jahr erzielten die acht Gesellschaften Allianz Suisse, Axa, Baloise, Helvetia, Mobiliar, Pax, Swiss Life und Zurich mit Risikoprämien einen Ertrag von 2,32 Milliarden Franken. Ihr Aufwand für Todesfall- und Invaliditätsleistungen betrug hingegen nur 1,75 Milliarden. Resultat: 570 Millionen Franken Bruttogewinn.
Risikoprämien teils doppelt so hoch wie Leistungen
Gar auf 17,1 Milliarden Franken beläuft sich dieser Gewinn, wenn man die von der Finma publizierten Zahlen für die 15 Jahre von 2007 bis 2021 zusammenzählt. Abzüglich der Rückstellungen erzielten die Lebensversicherungen ein Nettoergebnis von 16,5 Milliarden Franken (detaillierte Zahlen unter Saldo.ch/risikopraemien).
Die Kassen klingelten also ziemlich heftig. So nahm etwa die Helvetia 2021 fast doppelt so viel an Risikoprämien ein, wie sie für Leistungen ausgab. Konkret: Ihrem Prämienertrag von 303 Millionen Franken standen Ausgaben für Todesfall- und Invaliditätsleistungen von 154 Millionen Franken gegenüber. Das ergibt einen Überschuss von fast 97 Prozent. Über den Zeitraum von 2007 bis 2021 kumuliert waren es Allianz Suisse und Axa, die mit Prämieneinnahmen rund das Doppelte ihrer Ausgaben einkassierten.
Angestellte werden zur Kasse gebeten
Die Pensionskassen verlangen ähnlich hohe Prämien für die Deckung des Invaliditäts- und Todesfallrisikos wie die Versicherungen. Auch dort fallen also aus der Risikoprämie hohe Gewinne an. Diese werden aber in den Bilanzen in der Regel nicht separat ausgewiesen.
Die riesigen Gewinne aus dem Geschäft mit den Risikoprämien sind den Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Denn neben den Arbeitgebern sind es die Angestellten, die diese Prämien zahlen müssen. Der Angestelltenverband Travailsuisse zum Beispiel forderte schon vor Jahren, dass die Risikoprämien den Aufwand im Durchschnitt mehrerer Jahre um höchstens 20 Prozent übersteigen dürften.
Die Versicherungsgesellschaften bestreiten, überhöhte Risikoprämien zu kassieren. Sie sagen: Der grösste Teil der nicht benötigten Erträge und Rückstellungen fliesse in den gesetzlich vorgeschriebenen Überschussfonds. Dessen Mittel müssten spätestens innert fünf Jahren an die Versicherten zurückgehen. Und die Finma prüfe jährlich, ob die Höhe der Risikoprämien angemessen sei. Dabei gehe es nicht nur um eine ausreichende Solvenz der Versicherungen, sondern auch um den Schutz der Versicherten vor missbräuchlich hohen Margen. Was die Versicherungen nicht sagen: Sie dürfen 10 Prozent der jährlichen Prämien als Gewinn entnehmen – zugunsten der Aktionäre.
Alle politischen Vorstösse bisher gescheitert
Auf politischer Ebene gelang es bisher nicht, die Überschüsse der Versicherungen aus dem Geschäft mit den Risikoprämien in der 2. Säule zu beschränken. Die Aargauer FDP-Ständerätin Christine Egerszegi scheiterte 2014, Bundesrat Alain Berset 2017 mit einem entsprechenden Versuch im Parlament. Dort sind die Interessen der Versicherungsbranche gut vertreten.
17 Milliarden Franken für die Vermögensverwaltung
Von den im Rahmen der 2. Säule einbezahlten Beiträgen der Arbeitgeber und Angestellten von zuletzt 76 Milliarden Franken jährlich gehen 20 Milliarden Franken für Verwaltungskosten weg – davon allein 17 Milliarden für die Verrmögensverwaltung. Dies geht aus dem neuen Buch «Das Rentendebakel» der beiden Journalisten Danny Schlumpf und Mario Nottaris hervor. Die Autoren kommen darin auch zum Schluss: Wäre das Geld der Versicherten seit 1985 konsequent einem Börsenindex folgend mit einem Aktienanteil von 40 Prozent angelegt worden, würde sich das Pensionskassenvermögen heute nicht auf 1200, sondern 1400 Milliarden Franken belaufen. Die Vermögensverwalter machten offenbar keinen guten Job.