Abends um sechs in der Migros-Filiale am Limmatplatz in Zürich. Am Eingang ein Gestell mit 108 Handscannern. Damit sollen die Kunden während ihres Einkaufs jeden Artikel selbst einscannen und an der Kasse selbst abrechnen. Die Migros verspricht: «Der gesamte Einkauf ist laufend ersichtlich. Kein Anstehen an der Kasse.»
Wer mit dem neuen Datenlesegerät einkaufen will, muss sich zuerst an der Scannerstation registrieren. Das geschieht bei der Migros mit der Cumuluskarte, bei Coop mit der Supercard. Die Kundenkarten werden gegen ein Registrierfeld der Scannerstation gehalten. Wer das Self-Scanning zum ersten Mal benutzt, muss auf dem Touchscreen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen lesen und sie akzeptieren.
Im Laden muss man dann bei jeder Ware den Strichcode suchen und mit dem Gerät einlesen. Dann ist die gelbe Taste in der Mitte des Geräts zu drücken. Ärgerlich: Ist der Strichcode zu klein oder das Etikett zerknittert, wird er vom Gerät nicht erfasst.
Sind die Einkäufe gemacht, stellt man in der Migros das Lesegerät in die Rückgabewand zurück. Zuvor scannt man den Strichcode «Einkauf beenden» ein. Dann geht man an den unbedienten Kassenautomaten und bezahlt dort mit Kredit- oder Maestro-Karte.
Bei Coop funktioniert das Abrechnen fast gleich. Die Kunden können jedoch zusätzlich auch bar bezahlen –entweder an einem der unbedienten Kassenautomaten oder an einer normalen Kasse. Dort kann man auch den Scanner abgeben.
Das System ist bei den meisten Kunden unbeliebt
Wer bei einer Kontrolle an der Kasse mit nicht gescannten Artikeln erwischt wird, wird registriert. Bei Verdacht auf Missbrauch oder Diebstahl wird laut Migros «vor Ort abgeklärt, ob es sich um ein Versehen oder einen Diebstahl handelt». Allenfalls wird eine Anzeige gemacht.
Die Migros hat bisher 140 Filialen mit Scannern ausgestattet, bei Coop sind es 102 Läden. Das System ist bei Kunden unbeliebt, wie eine saldo-Umfrage in je zwei Filialen in Bern, Zürich, Luzern und St. Gallen zeigt. «Ich bin beim Einkaufen mit Self-Scannern viel angespannter», sagt der 59-jährige Adrian Perez aus St. Gallen. Er hat Angst, den Überblick zu verlieren. Wenn man einen Grosseinkauf mache, gehe man besser an die Kasse, sagt Evelyn Hausheer, 27, aus Bern. Andere Kunden mutmassen, die Grossverteiler wollten mit dem neuen Gerät Personal einsparen. Kaspar Enz, 37, aus St. Gallen, benutzt deshalb keinen Handscanner: «Ich will, dass sie Leute einstellen.»
Für die Grossverteiler hingegen ist das neue System vorteilhaft: Sie können mit ihm nicht nur Personal sparen – die unbezahlte Arbeit der Kunden ist auch eine Quelle interessanter Informationen. So wissen Coop und Migros anhand der Benutzung der Scanner, wie lange der Einkauf dauert oder in welcher Reihenfolge eingekauft wird.
Coop sagt, diese Daten würden «zurzeit nicht für Marketingzwecke ausgewertet». Die Migros gibt «keine Details bekannt».
Akzeptieren der AGB gibt Migros einen Freipass
Im September hat die Migros ihre Geschäftsbedingungen (AGB) zur Cumuluskarte erneuert. Darin steht offen und ausführlich, welche Kundendaten das Unternehmen sammelt und wie es damit umzugehen gedenkt: Die Kunden geben der Migros mit dem Akzeptieren der AGB unter anderem die Erlaubnis, Informationen zu ihrer Kaufkraft, zur Haushaltsgrösse und zum Einkaufsverhalten zu sammeln, Kreditkarten- und Kontoinformationen, Foto- und Videoaufnahmen von Besuchen in Migros-Filialen und vieles mehr zu erfassen und auch an Dritte weiterzugeben. «Wir sammeln Ihre Personendaten, wann immer wir Kontakt zu Ihnen haben», heisst es wörtlich in den neuen Bestimmungen. Aufgezeichnet werden die Daten laut den AGB, wenn die Kunden
- ein Geschäft besuchen
- per Internet einkaufen
- an Kursen der Migros-Klubschule teilnehmen
- den Kundendienst in Anspruch nehmen
- einen Newsletter abonnieren oder an einer Meinungsumfrage teilnehmen
- soziale Netzwerke nutzen
- bei der Migros anrufen oder ein E-Mail schreiben
- das WLAN in einem Laden benutzen
- eine Kunden- oder Treuekarte benutzen
- an einem Wettbewerb oder Gewinnspiel teilnehmen.
Nicht besser bei Coop: Dieses Unternehmen bearbeitet laut dem Kleingedruckten unter anderem Einkaufsdaten und gesundheitsrelevante Angaben, die im Zusammenhang mit den Einkäufen stehen. Die Daten können an Supercard-Partnerunternehmen weitergegeben werden. Wer diese sind, erfahren Kunden in den AGB nicht.
Pikant: Die Krankenversicherung Helsana ist ein Supercard-Partner. Coop versichert aber, dass «keine für die Gesundheit relevanten Daten oder Warenkorbdaten an Helsana» geliefert würden.
Umfrage: Benutzen Sie das Self-Scanning?
«Nein. Mit meinen Zwillingen gäbe das ein Theater, weil jeder scannen möchte. Ich habe es einmal probiert. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich gewusst habe, wie es geht.»
Monika Braschler, 33, St. Gallen
«Mit dem Scanner hat man keinen Kontakt zum Personal. Das finde ich nicht gut. Was ist, wenn man etwas fragen muss?»
Urs Blaser, 65, Bern
«Ich habe die Scanner noch nie ausprobiert. Die sind mir zu unsicher. Coop hat dann ja vielleicht das Gefühl, dass man etwas ohne zu bezahlen mitnimmt. Da stehe ich lieber an.»
Eveline Haxhija, 33, Bern
«Ich benutze die Scanner. Das geht schneller. Man muss aber aufpassen, dass man Einkäufe nicht doppelt scannt.»
Linda Arnold, 63, Schlieren ZH
«Das ist nichts für mich. Das ist ein Theater. Da kann man ja nur mit Karte zahlen. An der Kasse geht es schnell genug.»
Walter Bartlome, 72, Köniz BE