Das «Migros-Magazin» ist voll des Lobes für das alkoholfreie Bier der Brauerei Feldschlösschen. Die Autorin des Artikels schwärmt von «den Zutaten natürlichen Ursprungs», von «den trendigen Alkoholfreien» und von «der Braukunst». Über den Produktentwickler schreibt sie: «Sein Schmunzeln verrät, dass er weitere Tüfteleien kaum erwarten kann.»
Der Artikel, der am 12. April 2021 erschien, ist ein einziges Loblied aufs Feldschlösschen-Bier. Das ist nicht weiter erstaunlich. Denn Feldschlösschen hat für den Gefälligkeitsartikel bezahlt. Das «Migros-Magazin» verlangt für solche Artikel im redaktionellen Teil 32 776 Franken pro Seite. Ein Artikel über drei Seiten kostet also fast 100 000 Franken. Die Migros sagt auf Anfrage von saldo, Feldschlösschen habe weniger bezahlt.
Die Schleichwerbung ist wie der redaktionelle Teil gestaltet
Die Migros ist stets auf der Suche nach Unternehmen, die für redaktionelle Beiträge im «Migros-Magazin» bezahlen. Im aktuellen Prospekt zu den Mediadaten schreibt sie, die Texte würden «von der Redaktion erstellt». Und sie verspricht: «Keine Marketingsprache.»
Die Schleichwerbung im Magazin erscheint in der gleichen Schrift wie der Rest des «Migros-Magazins» und ist von redaktionellen Artikeln deshalb nicht zu unterscheiden. Ein Hinweis wie «Publireportage» oder «Paid content» («bezahlter Inhalt») fehlt.
Die Migros ist mit dieser Praxis nicht allein. Auch die «Coop-Zeitung» lässt sich für Artikel bezahlen. Ein doppelseitiger Beitrag im redaktionellen Teil kostet 59 000 Franken. Die Coop-Journalisten schreiben die Texte «in enger Zusammenarbeit mit dem Geschäftspartner». So erschien ein Artikel darüber, dass Mastercard sich an den Kosten für Vlies-Folien beteiligt, mit denen Naturschützer schmelzende Gletscher bedecken (siehe Bild im PDF). «Immer wenn Sie mit Ihrer Mastercard bezahlen, tragen Sie dazu bei», heisst es in der Ausgabe 44 vom 2. November letzten Jahres. Wer dafür bezahlt, kann sich von der «Coop- Zeitung» sogar interviewen lassen – wie zum Beispiel der italienische Teigwarenfabrikant Paolo Barilla (Ausgabe vom 28. September 2021).
Letzte Woche brachte die «Coop- Zeitung» einen Artikel, für den Coca- Cola bezahlt hatte. Auch die UBS und das Bundesamt für Energie haben dieses Jahr schon Artikel in der «Coop- Zeitung» gekauft. Wie das «Migros-Magazin» kennzeichnet auch die «Coop- Zeitung» die bezahlten Artikel nicht. Sie sind für die Leser nicht als Werbung erkennbar.
Das sei auch nicht nötig, denn die Beiträge seien «journalistisch erarbeitet», heisst es bei Coop. Trotzdem will Coop «die Frage der Kennzeichnung von Artikeln prüfen». Die Migros sagt: «Der Artikel wurde unabhängig recherchiert und geschrieben und muss dementsprechend auch nicht gekennzeichnet werden.»
«Es handelt sich um bezahlten Inhalt»
Doch damit liegen Coop und Migros falsch. In den Richtlinien zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» steht klipp und klar: «Bezahlte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben.» Und: «Sofern sie nicht optisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden.»
Ursina Wey ist Geschäftsführerin des Presserats. Er ist die Beschwerdeinstanz von Verleger- und Journalistenverbänden. Für Wey ist klar: «Es fliesst Geld. Es handelt sich um bezahlten Inhalt.» Trotzdem sei das Layout «deckungsgleich mit anderen redaktionellen Inhalten». Sie sagt: «Eine deutliche Kennzeichnung als Werbung fehlt.» Ob der Presserat ein Verfahren eröffnen wird, ist offen. Tätig wird er auf Beschwerden hin. Das Präsidium kann aber dem Presserat auch die Eröffnung eines Verfahrens vorschlagen.