Der Vermieter lebt im Ausland. Vor dem Bezirksgericht Frauenfeld lässt er sich durch seinen Schwager vertreten. Dieser erscheint mit einem Bekannten, der ihm als Jurist zur Seite stehen soll. Die Mieterin kommt in Begleitung einer Nachbarin – zur moralischen Unterstützung.
Etwas hölzern liest der Schwager des Eigentümers sein Rechtsbegehren von einem Blatt Papier ab. Er fordert ausstehende Mietzinse von total 3220 Franken. Die Mieterin habe ab November 2012 eigenmächtig den Mietzins um 230 Franken monatlich reduziert. Sie habe ihm gesagt, sie sei mit der Wohnung unzufrieden. «Es geht ihr aber nicht um die angeblichen Mängel. Sie will einfach weniger Miete zahlen.» Der Vermieter habe bis jetzt auf eine Kündigung verzichtet, weil er auf eine gütliche Einigung hoffe.
Keine Heizung im Badezimmer, defekte Fenster
Die Einzelrichterin will von der Mieterin wissen, warum sie den Mietzins reduziert hat. Die Mieterin holt tief Luft und beginnt aufzuzählen: Es gebe keinen Trocknungsraum, obwohl dies im Mietvertrag vorgesehen sei. Zwei von vier Fenstern der Wohnung liessen sich nicht richtig öffnen. Zudem habe es im Badezimmer keine Heizung. Der Vermieter habe ihr gesagt, sie solle sich ein Öfeli kaufen. Das habe sie getan, doch dann seien die Stromkosten stark gestiegen. Im Sommer 2012 habe der Vermieter ein Baugerüst ums Haus errichten lassen – ohne sie vorher zu informieren. Und schliesslich sei im Winter 2012/13 die Zentralheizung regelmässig ausgestiegen. Das denkmalgeschützte Riegelhaus, in dem sie seit 2011 wohnt, gefällt der Mieterin. Sie will in der 2-Zimmer-Wohnung bleiben. Aber bis die Mängel behoben sind, zahle sie nicht die volle Miete.
Der Schwager gibt zu, dass ein Baugerüst aufgestellt worden ist. Man habe die Westfassade mit Streicharbeiten aufwerten wollen. Dabei habe es der Vermieter leider versäumt, die Mieter zu informieren. «Er wohnt seit Jahren in Schanghai, da ist ein Informationsleck möglich», räumt er ein.
«Die Mieterin wusste, worauf sie sich einliess»
Die Mieterin ärgert sich. Wenigstens ein Telefonat hätte sie erwartet. Sie habe wegen des Gerüsts die Wohnung nur noch gebückt betreten können. Am Gerichtsgebäude in Frauenfeld werden gerade Sanierungsarbeiten ausgeführt. So kann sich die Einzelrichterin anhand des Baugerüsts von der Mieterin erklären lassen, wie das Gerüst am Riegelhaus aussah und inwieweit der Lichteinfall beeinträchtigt war.
Der Schwager bestreitet nicht, dass es im Haus keinen Trocknungsraum gibt und dass die Heizung mehrfach defekt war. Es habe Wartungsprobleme gegeben. Ob es im Bad eine Heizung gibt oder nicht, kann er nicht mit Sicherheit sagen. «Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass mein Schwager bei der letzten Sanierung die Bodenheizung nicht bis ins Bad erweitert hat.» Er selbst habe die Wohnung der Beklagten in den 1980er-Jahren als Büro gemietet und nie gefroren. Er könne sich vorstellen, dass die Wohnung nicht so komfortabel sei, wie man dies heute gerne hätte. Aber: «Die Mieterin konnte vorgängig die Wohnung besichtigen, sie wusste also, worauf sie sich einlässt.» Zudem sei die 2-Zimmer-Wohnung für 740 Franken im Monat sehr günstig, da müsse man auch etwas in Kauf nehmen.
Nach einer halbstündigen Beratungspause macht die Einzelrichterin den Parteien den Vorschlag, den Streit mit einem Vergleich beizulegen. Nach einer guten Stunde Diskussion hinter verschlossenen Türen kommt es zu einem überraschenden Resultat: Die Mieterin muss die zurückbehaltenen Mietzinsanteile nicht nachzahlen. Im Gegenzug akzeptiert sie die Kündigung auf Ende September 2014. Die Verfahrenskosten übernehmen die Parteien je zur Hälfte.
Prozessieren: Mietzins nicht einfach kürzen, sondern hinterlegen
Wenn gemietete Räumlichkeiten erhebliche Mängel aufweisen, können Mieter eine Herabsetzung des Mietzinses verlangen. Eigenmächtige Reduktionen sind unzulässig. Der Vermieter könnte dann den Rest des Mietzinses gerichtlich geltend machen und kündigen.
Als Druckmittel dürfen Mieter aber einen Teil des Mietzinses bis zur Behebung des Mangels amtlich hinterlegen. Folgende Schritte müssen eingehalten werden:
- Den Vermieter per Einschreiben über den Mangel informieren, ihm eine Frist zur Behebung setzen und mit der Hinterlegung des Mietzinses drohen.
- Nach Ablauf der Frist die Hinterlegung des Zinses per Einschreiben ankündigen.
- Den Mietzins bei einer vom Kanton bezeichneten Schlichtungsstelle hinterlegen (Adressen bei der entsprechenden Schlichtungsbehörde). Gleichzeitig mit der Hinterlegung muss der Mieter bei der Schlichtungsbehörde auf Mietzinsreduktion klagen. Ist der Mietzins amtlich hinterlegt, gilt er als bezahlt. Eine Kündigung wegen Zahlungsrückstands ist nicht zulässig.