Vor dem Einzelrichter am Bezirksgericht Horgen ZH sitzt ein Ehepaar. Der Mann und die Frau sind beide gut 60 Jahre alt. Ihnen ist sichtlich unwohl. Ihr Anwalt spricht leise und beruhigend auf sie ein. Die beklagte Liegenschaftsverwaltung lässt sich von einer jüngeren Angestellten und einer Anwältin vertreten.
Sozialamt verpasste die pünktliche Zahlung der Miete
Der Anwalt des Ehepaars erhält vom Einzelrichter als Erster das Wort. Er begründet die Anfechtung der Kündigung: Das Ehepaar wohne seit 1988 in der Wohnung. «Stets waren sie angenehme Mieter. Nie gaben sie Anlass zu Reklamationen.»
Anfang 2015 wurde der Mann arbeitslos, seither komme die Sozialhilfe für die Miete auf. Aus unerklärlichen Gründen war die Juni-Miete nicht fristgerecht bis am 1. Juni überwiesen worden. Die Liegenschaftsverwaltung habe darauf dem Ehepaar telefonisch eine Frist bis zum 25. Juni gesetzt. Innert dieser Frist sei der Betrag von der Sozialhilfe überwiesen worden. Trotzdem habe der Vermieter dem Ehepaar auf Ende September gekündigt.
Nach der Mahnung erhielt der Vermieter rasch das Geld
Diese Kündigung sei nicht rechtmässig, so der Anwalt der Mieter. Sie sei deshalb für ungültig zu erklären. Mindestens aber müsse den langjährigen Mietern eine Mieterstreckung von vier Jahren gewährt werden. Der Vermieter habe gewusst, dass die Sozialhilfe die Miete bezahle. Und er habe die mündliche Zusage des Mieters gehabt, dass die ausstehende Miete bis am 25. Juni 2015 bezahlt werde. «Einem mittellosen Paar unter diesen Umständen wegen einer Monatsmiete von 1448 Franken die Wohnung zu künden, empfinde ich als rechtsmissbräuchlich», fährt der Anwalt fort.
Die Anwältin der Liegenschaftsverwaltung entgegnet: Beim Zahlungstermin vom 1. Juni habe es sich um einen sogenannten Verfalltag gehandelt. Eine Nachfrist für die Zahlung der Miete wäre deshalb gar nicht nötig gewesen. «Bei einem Verfalltaggeschäft gerät der Schuldner nach Ablauf eines bestimmten Datums automatisch in Verzug.» Die Kündigung sei rechtmässig.
Kündigung erst möglich, wenn Nachfrist ungenutzt verstreicht
Der Richter stellt den Parteien anschliessend ein paar Fragen zum Sachverhalt und versucht erfolglos, sie zu einem Vergleich zu bewegen. Dann entscheidet er: Für eine Kündigung hätte es nicht nur einer Mahnung mit Nachfrist bedurft. Die Frist hätte zudem ungenutzt verstreichen müssen. Erst dann wäre die Kündigung rechtens gewesen. Die Anfechtung werde deshalb gutgeheissen. «Die Kündigung ist ungültig», urteilt er.
Die Liegenschaftsverwaltung muss die Prozesskosten von 4500 Franken übernehmen und das Ehepaar für die Anwaltskosten mit 7600 Franken entschädigen.
Mit Mietzins im Verzug: Das sind die Fristen bis zur Kündigung
Ausserordentliche Kündigung. Sobald ein Mieter mit der Zahlung eines Mietzinses für seine Wohnung in Verzug ist, kann der Vermieter schriftlich androhen, den Vertrag zu kündigen, wenn der Ausstand nicht innert 30 Tagen überwiesen wird. Nach unbenütztem Ablauf dieser Frist kann er auf das Ende des nächsten Monats kündigen. Die Kündigung muss mit amtlichem Formular erfolgen. Selbst wenn der Mieter nach Erhalt des Schreibens noch zahlt, bleibt die Kündigung wirksam.
Eine Erstreckung des Mietverhältnisses ist bei ausserodentlicher Kündigung nicht möglich. Verbleibt der Mieter trotz Ablauf der kurzen Kündigungsfrist in der Wohnung, kann der Vermieter im Schnellverfahren beim Gericht die Ausweisung des Mieters verlangen. Deshalb ist die rechtzeitige Überweisung des Mietzinses sehr wichtig – auch während der Ferien.