Die Vermieterin erscheint am Regionalgericht Bern-Mittelland in der Stadt Bern nicht persönlich. Sie wird durch ihren Anwalt vertreten. Vehement verteidigt er das Vorgehen bei den Bauarbeiten am Wohnblock aus den 1960er-Jahren im Berner Länggassquartier. Eine halbe Million Franken habe die Hauseigentümerin für die Erneuerung der Fassade investiert. 50 Prozent der Sanierungskosten will sie auf die 20 Mietparteien überwälzen. Zur Hälfte handle es sich um Wertvermehrung. Pro Monat soll nun jeder Mieter 96 Franken zusätzlich zahlen. Für die Attikawohnung mit 105 Quadratmetern macht das nach der Sanierung dann monatlich knapp 2700 Franken.
Ganz anders sieht es das Mieterpaar. Zur Verhandlung kommt der Ehemann mit seinem Anwalt. Er argumentiert, mit den Arbeiten an der Fassade sei zum grössten Teil aufgeschobener Unterhalt nachgeholt worden. Der Unterhalt einer Liegenschaft sei aber bereits über den Mietzins abgedeckt. Und nach 50 Jahren sei eine Fassadensanierung überfällig. Der wertvermehrende Anteil an den Kosten für die Fassadensanierung sei verschwindend klein. Die ausgeführten Arbeiten entsprächen lediglich dem heutigen Stand der Bautechnik. Es sei deshalb ungerechtfertigt, den Mietern die Hälfte der Kosten aufzubürden.
Der Mieter macht zudem geltend, seine Attikawohnung liege zurückversetzt von der Fassade. Saniert worden sei nur die Hauptfassade der darunterliegenden Geschosse. Seine Attikawohnung aber sei gleich schlecht isoliert wie zuvor. Ihm hätten die Arbeiten nichts gebracht. Im Gegenteil. Auf der Terrasse rund um seine Wohnung fliesse das Wasser wegen eines Fehlers bei den Bauarbeiten nicht mehr ab. «Die Abflusslöcher wurden erhöht, der Boden aber nicht – jetzt haben wir einen Sumpf, in dem die Mücken brüten.»
15 statt 50 Prozent der Kosten überwälzen, wäre für die Mieter okay
Sein Hauptanliegen: «Die übrigen Mieter zahlen nun weniger Heizkosten. Bei mir sind die Nebenkosten aber auf fast 400 Franken pro Monat gestiegen», sagt er dem Gericht. Das liege vermutlich am Verteilschlüssel und am veränderten Verhältnis von Fix- und Verbrauchskosten. In den anderen Wohnungen sei der Verbrauch gesunken. Er jedoch müsse gleich viel heizen wie zuvor, womit ihm ein höherer Fixkostenanteil aufgebürdet werde.
Akzeptabel fände der Mieter eine Überwälzung von 15 Prozent der Sanierungskosten. Das wären 31 Franken pro Monat. «Ich profitiere zwar nicht direkt finanziell», sagt er, «aber energetische Massnahmen sind grundsätzlich sinnvoll und kommen allen auf diesem Planeten zugute.»
Zudem fordert er eine Reduktion des Mietzinses von 10 Prozent während der gut dreimonatigen lärmigen Bauarbeiten. Im Weiteren habe die Vermieterin einen verbindlichen Terminplan für die Lösung des Problems mit dem Wasserabfluss bekanntzugeben.
Die erste Instanz, die Schlichtungsbehörde für Mietsachen, hatte dem Mieter vor ein paar Monaten weitgehend recht gegeben. In ihrem Urteilsvorschlag reduzierte sie die 96 auf 31 Franken und sprach dem Mann wegen des Baulärms eine Mietzinsreduktion von 1005 Franken zu. Dise Summe hat die Verwaltung in der Zwischenzeit vergütet. Zudem veranlasste sie, dass das Baugeschäft die teuren Balkonpflanzen ersetzte, die es bei den Arbeiten beschädigt hatte.
Parteien feilschen in Verhandlungsrunden um jeden Fünfliber
Bezüglich Überwälzung der Fassadenkosten blieb die Eigentümerin aber hart. Sie beharrt auf 96 Franken pro Monat. Deshalb muss sich nun noch das Regionalgericht mit dem Fall befassen.
Der Einzelrichter motiviert die Parteien zu Vergleichsgesprächen. Der wertvermehrende Anteil an der Sanierung lasse sich nur durch ein Gutachten klären, das bis zu 10 000 Franken koste. Diesen Betrag müsse die unterliegende Partei übernehmen.
In mehreren Verhandlungen hinter geschlossenen Türen feilschen die Parteien um jeden Fünfliber. Bei einem Überwälzungssatz von 40 Prozent und rund 75 Franken Mietaufschlag pro Monat finden sie sich. Der Mieter ist nicht zufrieden. Doch das Risiko hoher Gutachtens- und Verfahrenskosten will er nicht eingehen. «Das wäre eine Pokerrunde geworden», begründet er sein Einlenken.
Prozesskosten vom Streitwert abhängig
Erhöht der Vermieter den Mietzins, kann sich der Mieter bei der örtlichen Schlichtungsstelle für Mietsachen wehren – kostenlos.
Erzielen die Parteien keine Einigung, kann der Vermieter die Mietzinserhöhung ans Gericht weiterziehen. Dann drohen Prozesskosten. Die Höhe hängt von der Summe ab, um die gestritten wird.
Der Streitwert berechnet sich wie folgt: Differenz zwischen dem neu geforderten und dem bisherigen beziehungsweise anerkannten Mietzins pro Jahr multipliziert mit zwanzig. Im genannten Fall beträgt der Streitwert 15 600 Franken.
Die Höhe der Prozesskosten hängt vom Kanton ab. Im Kanton Zürich zum Beispiel müsste der Verlierer bei diesem Streitwert 2500 Franken Gerichtskosten und 3200 Franken für den Anwalt des Gegners bezahlen.