Vor dem Verhandlungssaal im Bezirksgericht Dietikon ZH warten der Inhaber einer Baufirma und sein Kunde, ein Hauseigentümer. Beide sind ohne Anwalt erschienen. Der Bauunternehmer geht noch einmal seine Unterlagen durch, sein Auftraggeber spielt nervös auf seinem Mobiltelefon herum. Dann bittet die Einzelrichterin die beiden Männer in den Saal.
Der Bauunternehmer hat eine Klage über 8000 Franken eingereicht. Die Richterin fordert ihn auf, sie zu begründen. Er legt dar, seine Angestellten hätten im August 2018 im Keller des herrschaftlichen Anwesens des Beklagten eine Wellnessanlage mit Sauna und begehbarer Dusche eingebaut. «Die schriftliche Offerte lautete über 18 000 Franken», sagt er. Das sei aber nur ein «Richtpreis» gewesen. In der Offerte stehe, dass «ein bis zu 10 Prozent höherer Preis aufgrund von Unvorhergesehenem» anfallen könne. Nach Abschluss der Bauarbeiten habe er dann eine Rechnung über 30 500 Franken gestellt. Grund für die Überschreitung der Kosten seien diverse, nicht vorhersehbare Zusatzarbeiten gewesen. Doch sein Kunde habe sich geweigert, den Mehrbetrag von 12 500 Franken gegenüber der Offerte zu bezahlen.
Zusätzliche Arbeiten auf der Baustelle mündlich vereinbart
«Die Rechnung schien mir viel zu hoch», sagt der Hauseigentümer. Nach langem Hin und Her habe er sich mit der Baufirma auf einen Betrag von 22 500 Franken geeinigt. «Das sind 2700 Franken mehr als die 10 Prozent, die ich gemäss Offerte für Unvorhergesehenes hätte bezahlen müssen.» Die Vereinbarung hätten sie inklusive einer Saldoklausel schriftlich festgehalten. Mit dieser Klausel habe die Baufirma auf weitere Forderungen verzichtet. «Deshalb war die Sache für mich erledigt.» Trotzdem erhielt er wenig später erneut eine Rechnung. Diesmal über 8000 Franken.
Der Kläger bestätigt den Sachverhalt. Den zusätzlichen Betrag habe er für Arbeiten verlangt, die weder in der Offerte noch in der Abmachung enthalten gewesen seien. «Zwei Arbeiter bauten in der Dusche eine Nische und Gefälle für den Ablauf aus der Sauna ein und erledigten Maurer- und Spitzarbeiten.» Zwei seiner Arbeiter seien eine Woche beschäftigt gewesen. Der Bauherr habe die Zusatzarbeiten ausdrücklich gewünscht. Das habe man auf der Baustelle mündlich so abgemacht. «Rechnet man das zusätzlich benötigte Material hinzu, sind die 8000 Franken sehr günstig.»
Arbeitsrapporte und andere Belege fehlen
Der Hauseigentümer schüttelt den Kopf. «Die Zusatzarbeiten waren bereits in der ersten Rechnung aufgeführt.» Wegen der Saldoklausel könne die Firma kein weiteres Geld mehr von ihm verlangen.
Die Einzelrichterin versucht schliesslich, mit den Parteien eine Einigung zu finden. Sie rät dem Inhaber der Baufirma, wegen der Saldoklausel die Klage zurückzuziehen. Und sie macht ihm klar, dass die geltend gemachten Zusatzarbeiten schwierig zu beweisen seien. «Es gibt weder Arbeitsrapporte noch einen vereinbarten Stundenansatz», sagt die Richterin
Der Bauunternehmer will von einem Klagerückzug nichts wissen. Am Ende einigen sich die Parteien darauf, dass ihm der Auftraggeber noch 800 Franken bezahlt. Die Gerichtskosten von total 1400 Franken übernehmen die Parteien zur Hälfte.
Das ist eine Saldoklausel
Mit einer Saldoklausel können Streitparteien vereinbaren, dass sie auf weitere Forderungen aus einem Geschäft oder einem Sachverhalt verzichten. Sie ist endgültig: Einmal unterschrieben, lässt sich an ihr nicht mehr rütteln. Eine Saldoklausel sollte man immer schriftlich abfassen, sonst ist sie nicht beweisbar. Beispiel für den Wortlaut: «Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung sind die Parteien per saldo aller gegenseitigen Ansprüche auseinandergesetzt.»
Von Saldoklauseln erfasst werden alle bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung entstandenen Forderungen – nicht aber solche aus der Zukunft. Saldoklauseln können dazu führen, dass Ansprüche verloren gehen, welche die Parteien im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch nicht kannten. Lassen Sie sich deshalb vor Unterzeichnung einer Saldoklausel rechtlich genau über die Bedeutung und Tragweite der Unterschrift beraten.