Apotheken und Grossverteiler verkaufen über zwei Millionen Packungen Brausteabletten pro Jahr. Etwa die Hälfte davon sind gemäss dem Branchenverband Interpharma Schmerzmittel. Der Rest verteilt sich auf Hustenmittel, Vitamine und Mineralien.
Brausetabletten lassen sich im Handumdrehen in einem Glas Wasser auflösen. So können auch Leute, denen es schwerfällt, Pillen zu schlucken, Medikamente und Vitamine auf einfache Weise zu sich nehmen.
Doch Brausetabletten haben auch einen Nachteil: Sie enthalten viel Natrium. Dieser Bestandteil des Kochsalzes lässt den Blutdruck steigen. Bereits vor zehn Jahren zeigte eine grosse Studie im «British Medical Journal» an 1,3 Millionen Patienten: Wer oft Brausetabletten zu sich nimmt, hat ein höheres Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte (saldo 2/2014).
Nun zeigt eine Studie von deutschen Forschern im Fachmagazin «BMJ Open»: In vielen Brausetabletten steckt so viel Natrium, dass man damit den täglichen Grenzwert deutlich überschreitet.
Die Forscher kauften bei Grossverteilern und in Drogerien 39 Produkte mit Vitaminen, Magnesium und Kalzium und liessen den Salzgehalt in einem Labor ermitteln. Dabei zeigte sich: Brausetabletten wie «Doppelherz aktiv Vitamin C + Zink» enthalten pro Stück rund 500 Milligramm Natrium.
Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, pro Tag nicht mehr als fünf Gramm Salz zu essen. Das entspricht zwei Gramm Natrium. Mit einer einzigen Brausetablette erreicht man also schon einen Viertel der maximalen Tagesmenge. Laut den Forschern ist der Nutzen von Vitamintabletten für gesunde Leute, die sich ausgewogen ernähren, nicht bewiesen. Die Risiken für die Gesundheit könnten den Nutzen übersteigen.
Aspirin-Brausetabletten sind wahre Salzbomben
Am meisten Natrium fanden die Forscher im Aspirin – nämlich 544 Milligramm pro Brausetablette. Nimmt man sechs Tabletten pro Tag zu sich, wie Hersteller Bayer empfiehlt, überschreitet man die maximale Natrium-Tagesmenge um 63 Prozent.
Untersucht wurden 33 Schmerz- und Hustenmittel sowie Mineralstoffe aus Apotheken. Bei diesen Medikamenten ist der Natriumgehalt auf dem Beipackzettel angegeben. Die Forscher verzichteten deshalb auf eine Laboruntersuchung.
Die Hausärztin Stephanie Wolff aus Bülach ZH sagt: «Brausetabletten sind vor allem dann problematisch, wenn sie täglich eingenommen werden.» Wolff empfiehlt vor allem älteren Leuten mit hohem Blutdruck, Herzkrankheiten oder Nierenproblemen, auf Brausetabletten zu verzichten: «Das ist aus medizinischer Sicht problemlos möglich.» Denn die meisten Medikamente seien auch als Kapseln, Tabletten oder Granulat erhältlich.
Auch der Berner Herzspezialist Franz H. Messerli sagt, der hohe Natriumgehalt von Brausetabletten sei bedenklich: «Die Schweizer essen sowieso zu viel Salz.» Wenn man während langer Zeit solche Tabletten einnehme, könne dies den Blutdruck erhöhen und zu Herzversagen mit Lungenödem führen. Die deutschen Forscher fordern, die Hersteller müssten den Salzgehalt gut sichtbar auf der Verpackung angeben.
Hersteller sollen über Salzgehalt informieren
Auch Franz H. Messerli sagt: «Es ist nicht mehr tragbar, dass die Hersteller diese Werte nicht angeben.» Wer Schmerzmittel oder Hustenmittel braucht, denke kaum an die dadurch mögliche Salzüberdosis.
Bayer schreibt, der Beipackzettel weise auf den Natriumgehalt hin. Man dürfe die Medikamente ohne Arztrezept höchstens drei Tage verwenden. Hersteller Zambon weist darauf hin, dass es Fluimucil auch als Sirup gebe, als Granulat und als Tabletten ohne Salz. Und Wander erklärt, bei ihrem Produkt «Isostar Powertabs Hydrate & Perform» handle es sich um ein Mittel für Sportler. Diese könnten verlorene Flüssigkeit und Mineralstoffe ersetzen, die sie durch Schwitzen verloren hätten. Dazu gehöre auch Natrium.