Medikamente: Bundesamt treibt Preise in die Höhe
Medikamentenhersteller ersetzen grosse durch kleine Packungen und erhöhen gleichzeitig die Preise. Möglich macht das die Preisgestaltung des Bundesamtes für Gesundheit.
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saldo 02/2012
28.01.2012
Letzte Aktualisierung:
01.02.2012
Sabine Rindlisbacher
PPeter Zimmermann, saldo-Leser aus Thun, leidet an hohem Blutdruck. Er behandelt ihn mit dem anthroposophischen Arzneimittel Chelidonium Ferro cultum D3 von Weleda. Für die 100-ml-Flasche zahlte er bisher Fr. 28.60. Neu bietet Weleda die Tinktur nur noch in 50-ml-Flaschen an – für 24 Franken. Das heisst: Ein Milliliter kostet neu 48 statt 29 Rappen.
Zimmermann beschwerte sich bei Weleda wegen dieser happigen Preiserhöhung.
Weleda, der welt...
PPeter Zimmermann, saldo-Leser aus Thun, leidet an hohem Blutdruck. Er behandelt ihn mit dem anthroposophischen Arzneimittel Chelidonium Ferro cultum D3 von Weleda. Für die 100-ml-Flasche zahlte er bisher Fr. 28.60. Neu bietet Weleda die Tinktur nur noch in 50-ml-Flaschen an – für 24 Franken. Das heisst: Ein Milliliter kostet neu 48 statt 29 Rappen.
Zimmermann beschwerte sich bei Weleda wegen dieser happigen Preiserhöhung.
Weleda, der weltweit führende Anbieter von Arzneimitteln der Komplementärmedizin mit Hauptsitz in Arlesheim BL, weist aber jede Schuld von sich. Die Preise für 50 und 100 Milliliter habe das Bundesamt für Gesundheit festgelegt, da es sich um ein kassenpflichtiges Arzneimittel handle. Weleda schrieb Zimmermann: «Als Hersteller haben wir keinen Einfluss auf die Preisgestaltung unserer Produkte.»
Das stimmt allerdings nur zur Hälfte: Das Bundesamt legt zwar die Höchstpreise für die einzelnen Packungsgrössen fest. Aber die Pharmakonzerne und Anbieter dürfen die Produkte auch durchaus günstiger verkaufen.
1400 Packungen aus dem Sortiment gestrichen
Die Preissprünge zwischen den Packungsgrössen sind mitunter enorm. Hersteller wie Weleda können die Preise ihrer Produkte massiv erhöhen, wenn sie grosse Packungen aus dem Sortiment nehmen und auf kleinere Einheiten umstellen. Im letzten Jahr strich Weledalaut eigenen Angaben von 5000 Packungsgrössen rund 1400 aus dem Sortiment. Sprecherin Seta Thakur erklärt dies mit «wirtschaftlichen Gründen». Mit andern Worten: Es macht sich für Weleda bezahlt.
Auch Wala, ein deutscher Hersteller von homöopathischen und anthroposophischen Produkten, nahm in den letzten Jahren bei mehreren Präparaten die grossen Schachteln mit 50 Ampullen aus dem Handel. Der Patient zahlte bisher Fr. 3.10 pro Ampulle. Für die kleineren Packungen mit 10 Ampullen darf der Hersteller dagegen laut Anordnung des Bundesamts für Gesundheit Fr. 3.90 pro Stück verlangen.
Verschiedene Gesundheitsexperten kritisieren die Preisgestaltung des Bundesamts scharf – und fordern Medikamentenpreise, die unabhängig von der Packungsgrösse sind. Josef Hunkeler, ehemaliger Mitarbeiter des Preisüberwachers: «Die Preise sollten linear ansteigen.» So könnten Hersteller das System nicht mehr mit Sortimentsbereinigungen ausreizen.
Laut Hunkeler wurde in der Arzneimittelkommission in den letzten Jahren mehrmals versucht, das Bundesamt zu einer linearen Preispolitik zu bewegen. Erfolglos.
«Kleine Packungen müssten günstiger werden»
Auch Markus Fritz von der Schweizerischen Medikamenten-Informationsstelle fordert lineare Preise. Bei der Neugestaltung müssten die Preise der grossen Packungen ausschlaggebend sein. Markus Fritz: «Kleine Packungen müssten im Vergleich zu heute günstiger werden.»
Dieser Meinung ist auch Margrit Kessler von der Stiftung SPO Patientenschutz. Sie bleibt jedoch skeptisch: «Für den Bund ist es nicht lukrativ, die Preise nach unten anzupassen.» Grund: Je mehr Schweizer Hersteller mit ihren Medikamenten verdienen würden, desto mehr Steuern lieferten sie ab.
Pfizer findet Diskussion über Preise «müssig»
Auch die Pharmaindustrie selbst lebt mit der aktuellen Preisgestaltung gut. Pfizer-Sprecherin Susanne Thost findet eine Diskussion über die Höhe der Preise «müssig». Sandoz hält nichts von einer linearen Preisgestaltung. Nur Novartis zeigt sich offen: «Tagestherapiekosten sollten nicht primär von der Grösse der Packungsinhalte abhängen», sagt Sprecher Michael Schiendorfer.
Das Bundesamt für Gesundheit schiebt den schwarzen Peter weiter. Sprecher Daniel Dauwalder: «Ärzte und Apotheker sind verpflichtet, jene Packungsgrössen zu verschreiben, respektive abzugeben, die der Therapiedauer am besten entsprechen.»
Spezialitätenliste: Höchstpreise nach Packungsgrössen
In der Spezialitätenliste führt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) jene Medikamente auf, die von den Krankenkassen vergütet werden. Es handelt sich um rund 2500 Arzneimittel in über 8000 Packungen. Die Hersteller benötigen eine Bewilligung des BAG, um bestimmte Packungsgrössen auf den Markt zu bringen oder auszumustern.
Zusätzlich auf der Liste finden sich einige homöopathische und anthroposophische Arzneimittel. Deren Hersteller können Packungsgrössen ohne Bewilligung aus dem Sortiment streichen. Das Bundesamt legt für sämtliche Arzneimittel der Spezialitätenliste die Höchstpreise nach Packungsgrössen fest.