Beim Kauf eines rezeptpflichtigen Medikaments, das von der Krankenkasse bezahlt wird, zahlt der Patient stets eine Vertriebsmarge, die im Preis inbegriffen ist. Diese beträgt beispielsweise bei der 100er-Packung des Schmerzmittels Paracetamol Fr. 9.17. Das ist fast die Hälfte des Verkaufspreises von rund 20 Franken. Beim Hepatitis-C-Mittel Harvoni für rund 14 500 Franken sind es 240 Franken.
Die Vertriebsmarge soll Apotheker oder Ärzte für ihren Aufwand für Lager, Transport und Personalkosten entschädigen. Die Höhe der Marge legt das Bundesamt für Gesundheit fest.
Im Gegensatz zu Patienten in neun Vergleichsländern wie Deutschland, Frankreich oder Holland zahlen Schweizer Patienten eine sehr hohe Vertriebsmarge. Das stellte der Krankenkassenverband Santésuisse vor zwei Jahren fest. Im Jahr 2015 waren es 458 Millionen Franken mehr als im Durchschnitt der Vergleichsländer.
Margen der Grossisten werden nicht gekürzt, sondern erhöht
Das ist auch dem Bundesamt für Gesundheit nicht entgangen. Es schlägt nun ein neues Tarifsystem vor. Dadurch sollen die Patienten und Prämienzahler um jährlich 50 Millionen Franken entlastet werden. Grund: Die Vertriebsmarge wird bei allen Medikamenten leicht gesenkt, die zwischen 25 und rund 3700 Franken pro Packung kosten. Der neue Tarif soll im Juli 2019 in Kraft treten.
Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisiert die Pläne als «enttäuschend». Bei den Vertriebsmargen der Medikamente liessen sich laut seinen Berechnungen rund 400 Millionen Franken pro Jahr einsparen. Die vorgesehenen Margen für Apotheker seien im Vergleich zu deren Kosten weiterhin zu hoch. Die Margen der Grossisten sollen sogar um 50 Prozent steigen. Meierhans fordert: «Der Bund muss das Sparpotenzial konsequent ausschöpfen.» Das Bundesamt sagt, dass sich alle Akteure in der laufenden Vernehmlassung noch zu den Plänen äussern können.
Laut Apothekerverband drohen «Versorgungsengpässe»
Das neue Tarifsystem hat einen weiteren Haken: Es belohnt Apotheker und Ärzte oft noch stärker als bisher, wenn sie teure Medikamente verkaufen. Sie sollen zum Beispiel künftig für die Abgabe einer 100er-Packung des Originalpräparats des Cholesterinsenkers Crestor eine rund 10 Franken höhere Vertriebsmarge erhalten als für das Generikum Rosuvastatin von Sandoz. Beim jetzigen Tarif beträgt die Differenz 7 Franken. Die Folge: Apotheker und Ärzte geben tendenziell lieber das Original ab als das Generikum, weil sie so mehr verdienen. Die Zeche zahlen die Prämienzahler: Bei der 100er-Packung Crestor in der 100-Milligramm-Dosis muss die Krankenkasse 68 Franken mehr erstatten als beim entsprechenden Generikum. Für Andreas Schiesser vom Krankenkassenverband Curafutura behindert das geplante Tarfisystem den Absatz günstiger Generika. Der Preisüberwacher sowie Curafutura fordern vom Bund, er müsse diese «Fehlanreize beseitigen». Das Bundesamt behauptet, Fehlanreize liessen sich im schweizerischen Tarifsystem nie ganz eliminieren.
Der Apothekenverband Pharmasuisse lehnt das neue Tarifsystem ab. Er behauptet, dass die vorgesehenen Margen die Kosten der Apotheken nicht mehr deckten. Eine Sprecherin wirft dem Bund vor, durch Kürzungen die «gute» Qualität der Versorgung mit Medikamenten aufs Spiel zu setzen. Es drohten «Versorgungsengpässe». Bislang sieht es aber nicht danach aus: Die Zahl der Schweizer Apotheken ist in den vergangenen zehn Jahren um rund 100 auf 1800 gestiegen.