Schweizer essen pro Kopf durchschnittlich 15 Kilogramm Äpfel und 8,5 Kilogramm Rüebli im Jahr. Am meisten in den Monaten Januar bis Mai: Dann verkaufen sich Äpfel und Rüebli am besten. Beides wird jeweils im Herbst geerntet und dann in riesigen Hallen aufbewahrt.
Im Herbst des letzten Jahres wurden 187 507 Tonnen Gemüse und Obst aus der Schweiz in Kühlhäusern eingelagert. Das ergibt sich aus den Statistiken des Obstverbandes, der Zentralstelle für Gemüsebau Schweiz sowie dem Bundesamt für Landwirtschaft.
Besprühte Äpfel werden bis zu 13 Monate gelagert
Eingelagert waren zum Beispiel 57 782 Tonnen Äpfel. Früher wurden solche Lageräpfel ab Februar runzelig. Heute sehen sie selbst dreiviertel Jahre nach der Ernte im Hochsommer noch knackig und frisch aus. Denn Äpfel dürfen seit neun Jahren mit der chemischen Substanz 1-Methylcyclopropen begast werden. Das ist ein sogenannter Reifehemmer. Die Apfelsorte «Golden» kann so bis zu 13 Monate gelagert werden. Das bestätigt die Obsthalle Sursee, eine Anlage, die zum Landwirtschaftskonzern Fenaco gehört.
In den Läden ist dem Gemüse und den Früchten nicht anzusehen, dass sie schon vor Monaten geerntet, teilweise chemisch behandelt und eingelagert wurden. Die Detailhändler vermerken sowohl im Offenverkauf wie bei eingepacktem Obst oder Gemüse auf der Verpackung bloss, wann der Inhalt im Lagerhaus abgepackt wurde. Das Datum der Ernte bleibt im Dunkeln.
Die Migros bewirbt Lageräpfel oder Lagerrüebli in den Läden als «marktfrisch». In Coop-Filialen prangen neben Bio-Kartoffeln, die aus Kühllagern kommen, Plakate mit der Aufschrift «Für Bio frisch aus der Region». Beide Detailhändler sagen, die Bezeichnung «frisch» beziehe sich auf die Qualität und den Geschmack des Produkts und nicht auf den Erntezeitpunkt. Auch Lagergemüse sei «frisch».
Dass die Grossverteiler Werbung für «frisches» Lagergemüse machen, verwundert nicht. Denn die Vorräte sind enorm: Im letzten Herbst landeten in Kühllagern 68 000 Tonnen Frischkartoffeln, 57 782 Tonnen Tafeläpfel, 41 383 Tonnen Rüebli, 9807 Tonnen Kabis, 7467 Tonnen Sellerie und 6151 Tonnen Birnen. Rund die Hälfte wurde mittlerweile ausgeliefert und verkauft. Mitte März 2014 warteten noch rund 85 000 Tonnen Herbstgemüse und -obst auf Kunden.
Kühllager haben einen hohen Energieverbrauch
Die Gemüseproduzenten haben die Kühllager stetig vergrössert, wie es in einer Studie des Obstverbandes heisst. «Dank besserer Lagertechnik können die Äpfel länger gelagert werden, was neue Möglichkeiten in der Vermarktung eröffnete», erklärt ein Sprecher des Obstverbandes dazu.
Kühlung und Lagerhaltung brauchen viel Energie: Zwischen letztem Dezember und März wurden allein für die Apfellagerung in der Schweiz 8 Millionen Kilowattstunden Energie benötigt. Das ist so viel wie 1800 Durchschnittshaushalte in einem Jahr verbrauchen. Diese Verbrauchszahlen basieren auf einer ETH-Studie von 2012.
Die monatlich publizierten Lagerbestände des Obst- und Gemüseverbandes zeigen: Zwischen dem letzten November und März 2014 verbrauchten die Obst- und Gemüsekühllager in der Schweiz rund 32 Millionen Kilowattstunden Energie. Dieser Verbrauch lässt sich aufgrund der Durchschnittswerte der ETH-Studie errechnen. Er entspricht dem jährlichen Stromverbrauch einer Stadt mit 7100 Mehrpersonen-Haushalten.
Hohe Investitionen für die Lagerung von Gemüse
Die Kühllager werden laufend vergrössert und modernisiert: Allein im letzten Jahr eröffnete der Landwirtschaftskonzern Fenaco neue Kühllager für 54 Millionen Franken. Coop-Biogemüselieferant Rathgeb erweitert derweil sein Kühlhaus in Unterstammheim ZH. Und die Migros-Lieferantin Minog errichtet bis im August in Rebstein SG ein neues Kartoffellager, wie der «Schweizer Bauer» berichtet.
Ökobilanz: Südafrikanische Äpfel ökologischer als Schweizer Lageräpfel
Von Juni bis August gibts in den Läden neben Schweizer Lageräpfeln auch Äpfel aus Neuseeland, Südafrika oder Chile. Denn das Obst von der Südhalbkugel ist im Frühling reif.
Schweizer Lageräpfel haben tendenziell eine bessere Ökobilanz als neuseeländische Äpfel. Das zeigt eine Studie der ETH-Forscherin Franziska Stössel. Denn für den Schiffstransport von Neuseeland in die Schweiz brauche es mehr Energie als für die Kühlung der Lagerhäuser während 10 Monaten. ETH-Forscherin Stössel sagt aber auch: «Es ist sehr gut möglich, dass die Ökobilanz von südafrikanischen Äpfeln besser ist als jene von Schweizer Lageräpfeln.» Denn Südafrika liegt nur halb so viele Seemeilen von Europa entfernt wie Neuseeland. Importäpfel können dann eine bessere Ökobilanz haben, wenn die Schweizer Früchte bis im Mai oder Juni energieintensiv gelagert werden, die Importäpfel aber direkt nach der Ernte verschifft werden.
Chemische behandlung: Begaste Äpfel altern langsamer, sind aber weniger aromatisch
Äpfel sind selbst nach monatelanger Lagerung noch knackig. Die Produzenten setzen dazu folgende Mittel ein:
- In den Kühlhäusern herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt und eine tropische Luftfeuchtigkeit von 92 Prozent. Der Sauerstoffgehalt wird künstlich abgesenkt auf 1 bis 2 Prozent.
- Bei Äpfeln, die erst nach Februar in den Verkauf gelangen, verwenden die Produzenten oft ein Gas mit dem Namen Smartfresh. Dieser Reifehemmer stoppt die natürliche Alterung des Apfels. Dieses chemische Produkt besteht aus 1-Methylcyclopropen und setzt sich auf bestimmte Poren auf der Apfelschale. So verhindert es, dass dort das apfeleigene Reifehormon Ethylen entsteht.
Die begasten Äpfel bleiben laut der Forschungsstelle Agroscope zwar knackig und saftig. Allerdings seien sie teilweise weniger aromatisch, sagt Forscher Franz Gasser. Damit die behandelten Äpfel so aromatisch seien wie unbehandelte, müssten sie etwas länger am Baum reifen. Bei Bio-Äpfeln ist diese Begasung verboten.
Der Reifehemmer Smartfresh wird vom US-amerikanischen Chemiekonzern Dow Chemical hergestellt. Würden alle Lageräpfel, die nach Mitte Februar verkauft werden, mit Smartfresh begast, kostete dies die Konsumenten 1,6 Millionen Franken pro Jahr. Das geht aus den Kostenangaben einer Studie des Obstverbandes hervor.